Ehrenamt: Wie gelingt die Einbindung neuer Mitarbeiter*innen?

„Es ist wichtig, neue Mitarbeiter*innen gut in den Verein zu integrieren. Dies gilt insbesondere, wenn man Vielfalt im Verein bewusst fördern möchte“

Ehrenamt: Wie gelingt die Einbindung neuer Mitarbeiter*innen?

Vereine leben vom Engagement ihrer ehrenamtlichen Mitarbeitenden. Diese zu gewinnen, stellt sich für viele Vereine immer mehr als große Herausforderung dar. Umso wichtiger ist es, für Aufgaben neu gewonnene Vereinsmitglieder gut in den Verein zu integrieren. Dies gilt insbesondere dann, wenn man Vielfalt im Verein bewusst fördern möchte und neue Ehrenamtliche, die bislang wenig Berührungspunkte zur Vereinsarbeit hatten, einbindet.

Neue Mitarbeitende „abholen“

Das Schlagwort „Onboarding“ beschreibt den Prozess, in dem Organisationen wie Unternehmen, Verbände oder Vereine neue Mitarbeitende abholen und an die Aufgaben und die Zusammenarbeit in der Organisation heranführen. Selbst für langjährige Vereinsmitglieder kann die Übernahme einer Aufgabe im Verein mit vielen Herausforderungen verbunden sein, so dass sie Neuland betreten. Onboarding umfasst eine systematische Einarbeitung.

Orientierung geben

Bei der Einarbeitung gibt es zwei Fallstricke. Der erste Fallstrick besteht in einer fehlenden Einarbeitung. Gründe gibt es viele. Zumeist sind Vereine froh, eine Position besetzt zu haben. Die Zeit ist knapp und so überlässt man die Einarbeitung der Eigenverantwortung. Langjährigen Vereinsmitgliedern fällt es zudem schwer zu erahnen, welche Informationen neuen Mitarbeitenden fehlen. Zu viel wird dann als selbstverständlich vorausgesetzt. Gerade hochmotivierte Menschen zeigen immer wieder, dass dies funktionieren kann.

Doch eine Garantie, dass eine eigenverantwortliche Einarbeitung schon gelingen wird, die gibt es nicht. Das Gegenteil ist eher der Fall: Die Einarbeitung bleibt dem Zufall überlassen. Eine Gefahr besteht, dass den neuen Ehrenamtlichen die Orientierung fehlt. Frustration und Demotivation ist die Folge. Im schlimmsten Fall sind die neu gewonnenen Ehrenamtlichen gleich wieder verloren. Daher ist es wichtig, den Beschäftigten Orientierung zu geben, Ziele und Erwartungen zu klären und Abläufe zu erklären.

Freiräume zur Entfaltung lassen

Ein weiterer Fallstrick besteht im Gegenteil: Die Einarbeitung wird zu kleinschrittig und detailliert geplant. Oft liegt es daran, dass eine Aufgabe, die jahrelang in einer hohen Qualität auf eine bestimmte Art und Weise erledigt wurde. Dies führt dazu, dass von neuen Ehrenamtlichen genau erwartet wird, dass sie Aufgaben auf diese Art und Weise zu erledigen haben. Verbunden wird dies damit, den neuen Mitarbeitenden genau über die Schulter zu schauen. Schließlich – so die Annahme – fehle den neuen Mitarbeitenden die Erfahrung.

Dieses Vorgehen ist oft gut gemeint, aber die Wirkung ist dies nicht: Die neuen Ehrenamtlichen fühlen sich schnell eingeengt. Ihnen fehlt der Spielraum, um ihr Können unter Beweis zu stellen. Dies wirkt psychologisch demotivierend und birgt zudem Konfliktpotenzial. Insbesondere in heterogenen Teams, in denen Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Erfahrungen zusammenarbeiten, besteht die Gefahr, dass allzu kleinschrittige Vorgaben Aufgaben zu unnötigen Konflikten über Details führen. Wertvolle Zeit wird dabei mit der Frage über den vermeintlich besten Weg zum Zielvergeudet, obgleich alle Wege zielführend sind. Derartige Konflikte können vermieden werden, indem den neuen Ehrenamtlichen mehr Spielraum zugestanden wird.
Fazit: Die beiden Fallstricke stellen Extreme dar. Eine Einarbeitung sollte Orientierung geben und gleichzeitig Freiräume ermöglichen.

In Gesprächen Ziele und Erwartungen klären

Bei der Umsetzung in der Praxis ist eine Kommunikation wie so oft ein Erfolgsfaktor. Konkret sind dies Gespräche. Am Anfang sollten Ziele und Erwartungen, die Vereine an neue Vereinsmitarbeitende geklärt werden. Diese sollten dabei nicht zu konkret sein, sondern eher wie ein Rahmen: Sozusagen die Eckfahnen, die das Spielfeld begrenzen. Innerhalb dieses Rahmens besteht dann Spielraum, eigene Ideen und Gedanken einzubinden. Ziele und Erwartungen können Gegenstand eines ersten Willkommensgespräches sein. Doch auch die neuen Vereinsarbeitenden werden Vorstellungen von der Zusammenarbeit haben, die Gegenstand eines solches Gespräches werden sollten.

Aktiv Unterstützung anbieten

Ferner sollte der Verein aktiv Unterstützung anbieten. Um die richtige Unterstützung anzubieten, kann gezielt nachgefragt werden, wo neue Mitarbeitende sich Unterstützung wünschen. Dies kann im ersten Gespräch erfolgen. Da sich oft jedoch der konkrete Unterstützungsbedarf erst in der Praxis zeigt, empfiehlt es sich, in weiteren Gesprächen nachzufassen. Ob die ersten sechs Wochen oder die ersten 100 Tage – es gibt immer wieder Anlässe, um aus einer Vogelperspektive auf die Aufgaben der neuen Ehrenamtlichen zu schauen. Hilfreich kann es sein, neuen Ehrenamtlichen eine*n Sparringspartner*in an die Seite zu stellen, mit dem sie auch Ideen besprechen und sich Ratschläge einholen.

Die Einarbeitung ist eine Investition in die Zukunft. Doch sie ist auch Arbeit. Diese muss von bestehenden Vereinsmitarbeitenden geleistet werden. Erfolgreich sind solche Prozesse zumeist dann, wenn es klare Verantwortlichkeiten gibt. Dies erfordert meistens eine Person, die sich um die Einarbeitung neuer Vereinsmitglieder kümmert und diese organisiert.

Auch sind Konflikte im Zuge einer Einarbeitung wahrscheinlich und sollten daher erwartet werden. Nicht alle Konflikte lassen sich vermeiden oder verbeugen. Wenn unterschiedliche Arbeitsweisen und Vorstellungen aufeinanderprallen, dann sorgt dies für Reibereien und Gesprächsbedarf. Wer solche Konflikte jedoch erwartet, wird sie früher erkennen und meistens auch schneller bearbeiten können.

Soziale Einbindung fördern

Ein Onboarding geht jedoch über die Einarbeitung in eine Aufgabe hinaus. Jeder Verein verfügt über eine bestimmte Kultur der Zusammenarbeit. Diese ist geprägt von geteilten Werten sowie Regeln, die Außenstehende oft erst noch verinnerlichen müssen. Ein Onboarding sollte daher immer zwei Dinge berücksichtigen: Erstens, eher fachliche Einarbeitung in die Aufgaben und Tätigkeiten und zweitens, eine eher soziale Einbindung, in der Werte und Regeln verinnerlicht werden können.

Insbesondere in heterogenen Teams, in denen Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Erfahrungen zusammenarbeiten, besteht die Gefahr, dass allzu kleinschrittige Vorgaben Aufgaben zu unnötigen Konflikten über Details führen. Neben der Teilnahme an Veranstaltungen wie Sportwochen und Vereinsfeiern eignen sich hierfür die Zusammenarbeit in überschaubaren Kurzzeit-Projekten. In solchen verfolgen kleine Teams, aus alten und neuen Ehrenamtlichen, ein gemeinsames Ziel und lernen auf dem Weg dorthin die Arbeitsweise im Verein kennen. Dies können Beispiele Planungen im Rahmen einer Sportwoche, eines Trainingscamps oder einer Social Media-Kampagne sein.

Hilko Paulsen

 

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Zur Person

Dr. Hilko Paulsen ist Psychologe und arbeitet in einer Bundesbehörde in der Führungskräfteentwicklung. Er begann 2002 im Fußball- Verband Mittelrhein als Schiedsrichter, ist aktuell in Niedersachsen als Unparteiischer aktiv und in der Nachwuchsförderung im Bezirk Braunschweig tätig.

 

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