Vertreter der jungen Generation: Lohn einer mutigen Entscheidung

Vor rund 20 Jahren betrat der Fußball-Verband Mittelrhein mit dem Vorhaben Neuland, Vertreter der jungen Generation in alle Gremien der Kreise und des Verbandes wählen zu lassen. Heute macht sich diese Weichenstellung bezahlt und sie findet Anklang und Nachahmung auf Ebene des DFB.

Vertreter der jungen Generation: Lohn einer mutigen Entscheidung

Die Mischung macht es. Daran lässt FVM-Vizepräsidentin Johanna Sandvoß keinen Zweifel. „Für eine erfolgreiche Arbeit in den Gremien der Fußballkreise und des Verbandes braucht es die Erfahrung der älteren Ehrenamtler genau wie die Ideen der jungen Leute“, sagt sie. Das breite Spektrum von Menschen, die sich in ihrem Alter, aber auch Geschlecht und Herkunft unterscheiden, stärke die Verbindung zu Sportlern und Vereinen und bereichere das Schaffen des Verbands ungemein. Die Basis für dieses fruchtbare Zusammenspiel legte man am Mittelrhein vor rund 20 Jahren, als man einer intensiveren Einbindung der jüngeren Generation den Weg bereitete. Dieser Schritt bedurfte Mut und den Willen zur Veränderung. Denn man betrat Neuland, als 2001 das Vorhaben in der FVM-Satzung verankert wurde, in jedes Gremium der Kreise und des Verbandes einen Vertreter der jungen Generation (VdjG) als ordentliches Mitglied zu wählen.

Vom Ehrenamt für’s Leben lernen

Die Weichenstellung, die inzwischen verbindliche Vorgabe ist, sorgt bis heute für Nachwuchs in den Gremien und sie öffnete jungen Ehrenamtlern Türen. Sandvoß war eine der ersten, die diese durchschritt. Sie wurde im Kreis Rhein-Erft für drei Jahre zur Vertreterin der jungen Generation in der Jugendspruchkammer, die heute Jugendsportgericht heißt, gewählt. Die Erinnerungen an diese Zeit sind äußerst lebendig – und durchweg positiv. „Ich habe viele tolle Menschen kennengelernt und hatte von Beginn an großen Spaß an der Gremienarbeit“, sagt sie. Und noch etwas hat die heutige Vizepräsidentin nicht vergessen: „Ich bin auch von den teils deutlich älteren Kollegen sehr offen aufgenommen worden.“ Bis heute profitiere sie im Job, privat und bei ihrem Engagement im FVM von dem Rüstzeug, das sie sich in diesen Jahren angeeignet habe. „Ich habe damals gelernt, meine Ideen und Überzeugungen mit Respekt, aber auch der nötigen Beharrlichkeit zu vertreten – auch gegenüber etablierten Kollegen“, so Sandvoß.

Raum, etwas auszuprobieren

Rudi Rheinstädtler kann diese Worte ohne zu zögern unterschreiben. „Es klingt vielleicht etwas platt, aber ohne ehrenamtliches Engagement stünde ich heute nicht da im Leben, wo ich jetzt bin“, sagt der 39-Jährige. Auch der heutige Vorsitzende des Verbandsjugendausschusses gehörte 2001 der ersten Generation von VdjGlern an. Drei Jahre zuvor hatte er bei einem Gruppenleiterlehrgang (heute: DFB-Teamleiter Kinderfußball) Feuer für ein Engagement im Fußball gefangen. Es folgten weitere Fortbildungen und die Mitarbeit in einigen Projekten, ehe er zum VdjGler wurde. „Nicht alle haben Hurra geschrien, als wir jungen Leute kamen“, sagt er, doch letztlich sei die Skepsis der älteren Mitstreiter einer breiten Akzeptanz gewichen. „Ich habe eine Chance erhalten und mich darum bemüht, diese zu nutzen. Der Vorteil junger Ehrenamtler besteht ja auch darin, dass man ihnen Raum gibt, sich auszuprobieren“, sagt er. Im Rahmen seiner Tätigkeit für den Fußball habe er so Herausforderungen gemeistert, vor denen er später auch im Beruf gestanden habe. „Früher habe ich FVM-Lehrgänge geleitet und heute führe ich Mitarbeiter im Unternehmen“, bringt es Rheinstädtler auf den Punkt. Die eigene Vergangenheit bewirkt ein besonderes Verhältnis zu den heutigen VdjGlern. „Ich denke, dass ich viel Verständnis für ihre Anliegen habe, denn ich weiß noch, wie viele Fragezeichen auch ich bei meinen ersten Sitzungen im Kopf hatte“, erklärt er. Eines habe sich jedoch grundlegend gewandelt: „Früher mussten die jungen Leute für das Anrecht kämpfen, sich einbringen zu dürfen, heute können sie sich ganz auf die inhaltliche Arbeit konzentrieren.“

„Die Türen stehen offen“

Einer, der auf Rheinstädlers Spuren wandelt, ist Mark Degenhardt. Der 22-Jährige, der im Kreis Euskirchen groß geworden ist und beim SV Sötenich Fußball spielt, sitzt seit Mitte 2019 als VdjGler im FVM-Präsidium. Und obwohl diese Tätigkeit seine angesichts des Studiums ohnehin knappe Freizeit zusätzlich begrenzt, rät er seinen Altersgenossen, sich im Verein, Fußballkreis oder Verband zu beteiligen. „Leute, die etwas bewegen oder sich weiterbilden wollen, werden gesucht. Ihnen stehen die Türen offen“, findet er. Er selbst habe schon im Kreisjugendausschuss gelernt, eigene Akzente zu setzen. „Das hat sicherlich viel zu meiner Persönlichkeitsentwicklung beigetragen. Ich habe inzwischen beispielsweise viel Erfahrung darin, vor einer Gruppe zu stehen“, so Degenhardt.

Förderung junger Menschen auch beim DFB

Die vielen Vorteile der intensiven Einbindung junger Menschen überzeugen inzwischen nicht nur die Protagonisten am Mittelrhein. So beschlossen die Delegierten des ordentlichen DFB-Bundestages im September, künftig Vertreter der jungen Generation in den Jugendausschuss, den Schiedsrichterausschuss, den Ausschuss für Frauen- und Mädchenfußball sowie die Kommission Ehrenamt des DFB zu berufen. Das DFB-Präsidium hatte diesen Antrag auf Initiative des FVM eingebracht. Das einstimmige Votum nahm FVM-Präsident Bernd Neuendorf mit Freude auf: „Das ist ein guter Tag für die Zukunft des Fußballs. Unsere Erfahrung zeigt, dass die Förderung des jungen Ehrenamtes langfristig eine gute Entscheidung ist.“ Seine These belegt er mit eindrucksvollen Zahlen. Alleine im aktuellen FVM-Präsidium gestalten drei frühere und ein aktueller Vertreter der jungen Generation die Verbandsarbeit mit, insgesamt fünf Präsidiumsmitglieder sind unter 40 Jahre alt. In Summe gibt es in Gremien auf Kreis- und Verbandsebene 75 Positionen für VdjGler, die bis auf wenige Ausnahmen allesamt besetzt sind. „Das zeigt, wenn man jungen Menschen die Chance gibt, Verantwortung zu übernehmen, sind sie auch motiviert sich einzubringen. Und nur dann bleiben sie dem Fußball auch erhalten“, erklärt der FVM-Präsident. Und die Zahlen zeigen noch etwas: Der Mut zur Veränderung, den man am Mittelrhein vor rund 20 Jahren bewies, zahlt sich bis heute ohne Wenn und Aber aus. 

INFO

Vertreter der jungen Generation
Vertreter der jungen Generation (VdjG) dürfen zum Zeitpunkt der ersten Wahl das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Eine einmalige Wiederwahl in dieser Funktion ist möglich. In jedes Gremium der Kreise und des Verbandes wird ein VdjG als ordentliches Mitglied gewählt. Bei den Jugendgremien (Kreisjugendausschüsse, Verbandsjugendausschuss) sind es sogar zwei. Eine Vielzahl ehemaliger VdjG sind mittlerweile ordentliche Mitglieder ihres Gremiums, sitzen diesem vor oder sind aus einem Kreisgremium in einen Ausschuss oder ein Sportgericht auf Verbandsebene gewechselt. Vier Mitglieder des heutigen Verbandspräsidiums haben in der Vergangenheit bereits ein Amt als Vertreter der jungen Generation bekleidet oder tun dies noch heute.

TIPPS für Vereine

Wie können Vereine junge Menschen zu einem ehrenamtlichen Engagement bewegen? Eine Möglichkeit für junge Leute, sich zu beteiligen, bieten die „JuMi-Teams“. JuMi steht dabei für Junge Mitarbeiter. Junge Menschen können sich dabei ohne ein gewähltes Amt in das Vereinsleben einbringen. JuMis arbeiten projektorientiert, flexibel und partizipativ. Sie stemmen konkrete Projekte wie die Einrichtung eines Jugendraums, planen Fußballturniere oder Feriencamps. Die Vereine gewinnen so vielfach Nachwuchs für ehrenamtliche Stellen, profitieren von Angeboten im Jugendfußball und einer positiven Außendarstellung.

  • Die Vereinsstrukturen sollten das Mitwirken Jugendlicher fördern.
  • Spieler älterer Jahrgänge gilt es, gezielt anzusprechen.
  • Gruppen junger Menschen sollte man konkrete Projekte möglichst in Eigenregie umsetzen lassen.

Dabei bietet die Schaffung von JuMi-Teams einen guten Rahmen. Das Benennen eines festen Ansprechpartners, der über einen guten Draht zum Vorstand verfügt, ist empfehlenswert. Im Rahmen der „Initiative Ehrenamt“ unterstützt die Sportjugend NRW die Gründung von JuMi-Teams mit einem Starterpaket mit T-Shirts, Moderationskoffer, Projektchecklisten, Verpflegungsgutschein und Startkapital für ein Projekt.

Im FVM ist der „Arbeitskreis Junges Ehrenamt“ Ansprechpartner für diese Initiative. E-Mail: jungesehrenamt(at)fvm.de

(Text: Wolfram Kämpf)

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