Der DFB will mit einer Reform die Trainer*innen im Nachwuchsbereich unterstützen. Vor allem Kinder und Jugendliche sollen von den Maßnahmen profitieren. Sie sollen wieder mehr Spaß am Fußball – insbesondere am Training im Heimatverein – haben und so bestmöglich ausgebildet werden. Was sind die konkreten Pläne? Wir haben mit Frank Schaefer, Leiter Team Talentförderung und Leitender Verbandssportlehrer im FVM, über die „Trainingsphilosophie Deutschland“ gesprochen.
Der Jubel war riesig, nachdem Deutschland im vergangenen Jahr die U 17-Weltmeisterschaft in Indonesien gewonnen hatte. Fußballer aus Vereinen des FVM zählten zu den Stützen des Kaders von Trainer Christian Wück. Hinterher waren sich jedoch alle einig, dass der Erfolg nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass der deutsche Nachwuchsfußball in den vergangenen Jahren nicht die erhoffte Entwicklung genommen hat. Andere Nationen sind vorbeigezogen, so ehrlich muss man sein. Um diesem Trend entgegenzuwirken, hat ein Kompetenzteam des DFB die „Trainingsphilosophie Deutschland“ entwickelt. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, das Training in Deutschland besser und attraktiver zu machen – vom Amateursport bis zu den ambitioniertesten Nachwuchsteams. Es basiert auf den drei Eckpfeilern Freude, Intensität und Wiederholungen. Aber wie gelingt der Transfer aus der Theorie in die Praxis?
Frank Schaefer: "Volle Unterstützung für die Trainingsphilosophie Deutschland"
Die „Trainingsphilosophie Deutschland“ besagt, dass es in jeder Minute einer Trainingseinheit entscheidend ist, dass die Spieler*innen im Fokus stehen. Die Basics müssen immer und immer wieder trainiert werden. Jede Minute bedeutet selbstverständlich nicht, dass keine Taktik mehr einstudiert oder auf eine Videoanalyse zurückgegriffen werden darf. All diese Dinge haben Relevanz, aber es darf nicht auf Kosten des Trainings gehen. Es gilt: Je weniger Trainingszeit, desto mehr sollte der Fokus auf den Basics liegen. Was bedeutet das konkret für die Umsetzung im FVM? „Zunächst einmal möchte ich betonen, dass wir das Konzept, auf dem die „Trainingsphilosophie Deutschland“ beruht, voll und ganz unterstützen. Wir als Verband waren früh in die Thematik eingebunden und bewerten es sehr positiv. Auch ich persönlich halte die Maßnahmen für absolut sinnvoll“, sagt Frank Schaefer, Leiter Team Talentförderung und Leitender Verbandssportlehrer im FVM. „Wir hatten bereits einen sehr guten Austausch mit Hannes Wolf, dem DFB-Sportdirektor Nachwuchs und U 20-Nationaltrainer. Man merkt, dass er für das Thema brennt. Wir werden die Maßnahmen selbstverständlich in unsere Arbeit beim FVM einbauen.“
Mit kleinen Spielformen die Basics erlernen
Eine wichtige Erkenntnis des Kompetenzteams ist, dass es kein besseres Training gibt, als in kleinen Spielformen auf Tore zu spielen. Diese Formen decken die Basics des Fußballs ab und erlauben gleichzeitig Kreativität und Freiheiten. Wenn Spieler*innen diese Fähigkeiten nicht mitbringen, können sie später nicht auf höchstem
Niveau spielen. Dieses erreichen sie nur, wenn zukünftig von der U 8 bis zur U 16 mindestens 48 Minuten und von der U 17 aufwärts mindestens 32 Minuten pro Woche netto und mit dem Ball pro Spieler*in trainiert wird. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass es nicht ausschließlich 3-gegen-3-Spielformen sein müssen, sondern dass auch die Durchführung unterschiedlicher Variationen möglich ist. „Die Herausforderung wird es nun sein, das neue Konzept den Trainer*innen innerhalb des FVM zu vermitteln. Fortbildungen und Trainer*innenausbildungen sind hier natürlich ein ganz entscheidender Hebel. Außerdem müssen wir alle Wege der Kommunikation nutzen und so ein Schneeballsystem erzeugen. Wir müssen die richtigen Personen in den Vereinen erreichen, die das Thema dann dort bei den Übungsleiter*innen platzieren“, betont Schaefer. „Das wird natürlich nicht von heute auf morgen funktionieren, aber mittelfristig werden wir das umgesetzt bekommen."
Zudem sind die Stützpunktrainer*innen sowie die Verantwortlichen der Mädchenförderzentren wichtige Personen, um das Konzept in die Breite zu tragen, wie Schaefer erklärt: „Wir haben für diese Personengruppe bereits Ende des vergangenen Jahres eine Fortbildung organisiert, in dem wir die „Trainingsphilosophie Deutschland“ und deren Auswirkungen auf die Gestaltung der Einheiten besprochen haben. Hanno Balitsch war dabei der Impulsgeber und hat die grundlegenden Ideen sehr gut eingeordnet. Ich habe keinen Zweifel daran, dass alle dahinterstehen und das Konzept umsetzen werden.“
Hannes Wolf: "Das Beste von früher mit den wichtigsten aktuellen Erkentnissen zusammenbringen"
Motiviert durch die beiden Leitsätze „Mehr Aktionen führen zu mehr Qualität“ und „Der Ball muss ins Netz“ sollten die Trainingseinheiten alters- und leistungsklassenunabhängig gestaltet werden. Doch insbesondere an der Basis wird deutlich, dass diese Formen des Spiels enorm herausfordernd zu organisieren sind. Die Expert*innen sind dennoch davon überzeugt, dass sie für die Kinder zu 100 Prozent richtig sind – allein schon im Hinblick auf die Wiederholungs- und Aktionszahlen in kleinen Spielformaten. Im 7-gegen-7 hat ein Kind zirka 50-mal den Ball. Im 3-gegen-3 sind es pro Spieler*in im gleichen Zeitraum 200 Ballaktionen. Rechnet man diese Zahlen hoch, wird deutlich, wie groß der Unterschied ist und wie sehr die Kinder von den Kleinspielformen profitieren.
Wir müssen es schaffen, das Beste von früher mit den wichtigsten aktuellen Erkenntnissen zusammenzubringen“, sagt Hannes Wolf, DFB-Direktor Nachwuchs und U 20-Nationaltrainer sowie Leiter des Kompetenzteams. „Wir können es alle zusammen besser machen und damit den Nachwuchsfußball in Deutschland gemeinsam auf eine andere Stufe heben. Wir haben ein tolles Expertenteam, das richtig Bock darauf hat, etwas zu bewegen. Und das alles muss an der Basis und im Breitensport beginnen.“ Wolf war Anfang März auf Einladung des FVM im Rahmen einer Jugendleiter*innen-Fortbildung auch in der Sportschule Hennef zu Gast und hat die „Trainingsphilosophie Deutschland“ dort noch einmal erläutert und die vielen Fragen der Anwesenden beantwortet.
Schlechte Entwicklung im Nachwuchsfußball in den vergangenen Jahren
Warum war überhaupt ein neues Konzept nötig? „In den vergangenen zehn Jahren gab es Entwicklungen im Nachwuchsfußball, die uns geschadet haben: zum Beispiel die Einführung der Videoanalyse bei Nachwuchsteams und die Überbetonung der Taktik im Nachwuchsfußball. Alle haben sich an den Profis orientiert, überall kannst du dir die Trainingsformen von den größten Trainern der Welt angucken. Es gab keine Differenzierung zwischen Profi- und Jugendtraining“, hat Wolf neulich in einem Interview auf Sportschau.de bemängelt. „Für uns war es ganz klar an der Zeit, die Konsequenzen daraus zu ziehen, weil wir einen großen Drop-out haben an der Basis. Viele Kinder hören auf mit Fußball, weil sie nicht mehr die Freude haben, sich vielleicht auch nicht so entwickelt haben wie gewünscht. Das Verrückte ist: Bei der Ernährung ist das, was am meisten Spaß macht, eigentlich ungesund. Beim Fußball ist es anders: Das, was am meisten bringt, wo man am meisten lernt, macht auch am meisten Spaß: Spielen auf Tore.“ Und genau darum soll es zukünftig wieder viel mehr gehen: Tore schießen, Freude haben, Fußball spielen, Talente weiterentwickeln.
Onlineschulung "Neue FVM-Kinderspielformen"
Zur Vermittlung von praxisnahen Informationen und hilfreichen Tipps bietet der FVM am 23. und 27. Mai eine Onlineschulung rund um die neuen Spielformen im Kinderfußball an. Anmelden können Sie sich über den FVM-Veranstaltungskalender.
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