Kompetenzen im Ehrenamt entwickeln: Mehr als nur Wissen!

Dr. Hilko Paulsen hat Psychologie studiert und unter anderem zum Thema „Stimmungen in Gruppen“ geforscht. Er arbeitet als Berater und Trainer in Wirtschaft, Verwaltung und Sport. Zudem ist er als Schiedsrichter tätig.

 

Dr. Hilko Paulsen erklärt, wie Ehrenamtler während ihrer Tätigkeit wichtige Kompetenzen entwickeln und wie Vereine ihre Mitarbeiter dabei unterstützen können.

Kompetenzen im Ehrenamt entwickeln: Mehr als nur Wissen!

Fallbeispiel
Paul ist seinem Trainer schon früh aufgefallen. Nicht wegen seines fußballerischen Könnens, sondern weil er die Mannschaft zusammenhält. In der Whats-App-Gruppe ist er derjenige, der für Struktur sorgt und auch so organisiert er viel. Daher spricht der Trainer Paul an und fragt ihn, ob er sich vorstellen könne, im Jugendausschuss mitzuwirken. Paul stimmt zu. Es zeigt sich, dass Paul seine vorhandenen Kompetenzen im Bereich Organisieren und Planen sehr gut einbringen kann. Er besucht zudem Lehrgänge beim FVM. Von dem dort Gelernten kann er einiges sofort umsetzen. Bei anderen stößt er im Verein jedoch anfänglich auf wenig Interesse. Doch Paul setzt sich durch. Er lernt, andere für Neues zu gewinnen. Plötzlich ist er der Social-Media-Beauftragte im Verein. Auch wenn er mit digitalen Medien groß geworden ist, gilt es für Paul, viel Neues zu lernen und praktisch umzusetzen.

Dieses Fallbeispiel veranschaulicht, wie Menschen im Ehrenamt Kompetenzen einbringen und entwickeln können. Im Alltag ist oft von Kompetenz die Rede. Oft sprechen wir jemandem die Kompetenz ab. Einen Service-Mitarbeiter am Telefon erleben wir als inkompetent, wenn er unser Anliegen nicht lösen kann. Kompetenz beschreibt alle Fähigkeiten und Wissensbestände, die benötigt werden, um konkrete Aufgaben zu bewältigen. Das heißt, es müssen praktische Probleme gelöst werden. Wissen alleine reicht nicht aus. Wer nur weiß, wie etwas besser gemacht werden kann, dieses Wissen allerdings nicht anwenden kann oder will, der wird als inkompetent wahrgenommen.

Der Unterschied zwischen Kompetenz und Qualifikation
Eine Qualifikation erhalten wir, wenn wir einen Lehrgang oder ein Seminar mit einem strukturieren Plan besucht haben. Meistens erhalten wir auch ein Zertifikat, das uns den Besuch bescheinigt. Dies bedeutet allerdings noch lange nicht, dass wir auch die Kompetenzen erworben haben. Dies zeigt sich erst in der Praxis. In der alltäglichen Vereinsarbeit sind die vorhandenen Mittel oft knapp .Erlerntes Wissen muss so genutzt werden, dass man aus dem Vorhandenden viel macht. Insbesondere gilt es auch, andere Menschen mitzunehmen und zu begeistern. Das Gute: Gelernt wird auch im Prozess der Arbeit. Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger lernen gerade in ihren ersten Jahren noch einmal ordentlich dazu.

Kompetenzen im Verein fördern
In Vereinen gibt es verschiedene Tätigkeiten und Aufgaben. Vereine sollten in einem ersten Schritt prüfen, welche Kompetenzen für welche Tätigkeiten und Aufgaben benötigt werden. So können sie vorhandene Kompetenzen bei den ehrenamtlichen Vereinsmitarbeitenden besser erkennen und fördern. Gerade in Vereinen, in denen es an ehrenamtlichen Mitarbeitenden mangelt, ist es wichtig, Kompetenzen, die in den Vereinsmitgliedern schlummern, zu wecken. Gelingt dies und können Vereinsmitglieder Kompetenzen einbringen, ist dies auch eine Möglichkeit, ehrenamtliche Mitarbeitende nachhaltig zu gewinnen. Denn das Erleben von Kompetenzen ist neben dem Bedürfnis nach Selbstständigkeit und Gemeinschaft eines der Grundbedürfnisse von Menschen. Sind diese erfüllt, erleben wir Menschen uns als selbstbestimmt und sind glücklicher als wenn diese Bedürfnisse unerfüllt bleiben.

Wie können Vereine die Kompetenzen von Beschäftigten nutzen?

Vereine müssen sich im Prinzip zwei Fragen stellen:

1. Welche Kompetenzen werden im Verein für welche Aufgaben benötigt?
2. Welche Kompetenzen haben die Beschäftigten bereits?

Für Vereine – wie im Übrigen auch für kleine und mittlere Unternehmen – bedarf es hier strukturierter und zugleich effizienter Lösungen.

In einigen Vereinen gibt es bereits eine Art Stellenbeschreibung. Dies stellt einen wesentlichen Schritt dar. Welche Aufgaben müssen wir gegenwärtig und zukünftig wahrnehmen? Hier gilt es Anforderungen zu beschreiben. Im nächsten Schritt erfolgt dann eine Kompetenzeinschätzung der Vereinsmitarbeitenden. Hier können die Vereinsmitarbeitenden selber gefragt werden – oder andere beurteilen diese Kompetenzen. Dazu braucht man neben den Kompetenzen ein geeignetes Antwortformat, z.B. ob die Kompetenzen eher niedrig, mittel oder hoch ausgeprägt sind.

Für einzelne Mitarbeitende entsteht ein Kompetenzprofil. Wurde vorher ein Sollbereich für eine Tätigkeit festgelegt, dann ergeben sich Stärken und Entwicklungsfelder. Die Stärken sollten gestärkt, Entwicklungsfelder bearbeitet werden. Hierzu eignen sich Lernaufgaben, die Vereinsmitglieder übernehmen, um Kompetenzen zu erwerben. Vorausgesetzt, es besteht eine Bereitschaft bei ihnen. Eine Kompetenzmatrix enthält eine tabellarische Darstellung von Kompetenzen und Vereinsmitarbeitenden. So wird auf einem Blick klar, wer etwas wie gut kann.

Die Kompetenzmatrix kann Ausgangspunkt dafür sein, wer welche Aufgaben im Verein am besten wahrnimmt. Sie gibt auch Hinweise, wo Kompetenzen im Verein vielleicht fehlen – oder durch das Ausscheiden langjähriger Mitarbeiter verloren gegangen sind.

Kompetenzmatrix        Mitarbeitende
Kompetenz
Anders, Andreas               
Berg, Bertha      
Führen und entscheiden
mittel
hoch
Überzeugen und mitreißen

hoch
Zusammenarbeit im Team
mittel
hoch
Strategische Konzepte entwickeln
hoch

Informationen analysieren und auswerten           
hoch

Planen und organisieren
mittel
mittel
Wirtschaftlich handeln
hoch

Selbstmanagement
hoch
hoch

Doch Aufgaben sollten nicht nur denen übertragen werden, die Aufgaben gut übernehmen können. Aufgaben stellen auch immer eine Möglichkeit dar, Kompetenzen zu entwickeln.


Wie können wir systematisch Kompetenzen entwickeln?
Lernen kann formal oder eher informell erfolgen. Formal ist das Lernen, wenn es feste Lernzeiten und -orte sowie -inhalte gibt. Vereinsmitarbeitende besuchen Lehrgänge und Seminare. Das große Problem dieser Form der Weiterbildung ist, dass der Transfer des Gelernten in die Praxis nur begrenzt gelingt. Für einen erfolgreichen Transfer bedarf es neben einem erfolgreichen Lernprozess im Lehrgang vor allem auch der Unterstützung von Führungskräften und Vereinskollegen sowie Gelegenheiten, das Gelernte anzuwenden. Um die Erfolgswahrscheinlichkeit des Lerntransfers zu erhöhen, bietet sich beispielsweise an, dass Vereinsmitarbeitende ein Transferprojekt im Verein nach dem Lehrgang bearbeiten. Idealerweise planen und besprechen dies Vereinsverantwortliche und die jeweiligen Mitarbeitenden im Vorfeld. Bei einem Transferprojekt wird eher informell, im Prozess der Arbeit gelernt.

Vereine können das informelle Lernen im Verein erhöhen, indem sie Lernziele setzen, Lerngelegenheiten anbieten sowie Zeit für Reflexion und Feedback einräumen.

• Lernziele: Was soll gelernt werden?
• Lernhandlungen: Was wird konkret getan?
• Reflexion: Die Vereinsmitarbeitenden bekommen Raum und Zeit, das Gemachte zu reflektieren und werden dabei unterstützt.
• Feedback: Die Vereinsmitarbeitenden erhalten konstruktive Rückmeldung über Lernfortschritte.

Vereinen, denen es gelingt, diese vier Erfolgsfaktoren im Verein zu etablieren, wird es auch gelingen, Mitarbeiter zu entwickeln – und zu motivieren. Es lohnt sich also doppelt, sich mit den Kompetenzen im Verein auseinanderzusetzen und Mitglieder zur Mitarbeit zu motivieren.

Anerkennung von im Ehrenamt erworbenen Kompetenzen
Der Fußball-Verband Mittelrhein fördert die Anerkennung von im Ehrenamt erworbenen Kompetenzen. Diese können Vereinsmitarbeitende beispielsweise bei Bewerbungen nutzen. Nähere Informationen finden Interessierte zum Beispiel hier.

 

 

 

 

 

 

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