Frau Butzen, vor einigen Wochen leitete mit Bibiana Steinhaus erstmals eine Schiedsrichterin eine Partie in der Herren-Bundesliga. Was haben Sie als langjährige Unparteiische empfunden, als Sie davon gehört haben?
Ich habe mich riesig gefreut und es hat mich mit Stolz erfüllt. Denn damit wurden auch die Ausdauer und Arbeit der deutschen Schiedsrichterinnen insgesamt belohnt. Auch ich habe in meinen 40 Jahren als Unparteiische immer dafür gekämpft, dass nicht das Geschlecht, sondern die Leistung bei der Beurteilung dieses Engagements im Vordergrund steht.
Sie haben vier Jahrzehnte lang Erfahrung auf den Plätzen der Region gesammelt. Was hat sich in dieser Zeit verändert?
Zunächst einmal sind heute viel mehr Frauen auch im Männerfußball als Schiedsrichterinnen im Einsatz – auch wenn ihr Anteil in den höheren Spielklassen noch immer überschaubar ist. Vor allem aber sind die Vorurteile geringer geworden. Frauen werden großenteils als Unparteiische akzeptiert. Wenn heute eine Schiedsrichterin den Platz betritt, macht niemand mehr große Augen. Das war in meiner Anfangszeit noch völlig anders.
Sie mussten also noch ein anderes Durchsetzungsvermögen offenbaren?
Ja, auf jeden Fall. Fußball war in dieser Zeit vor allem Männersache. Als ich 1969 angefangen habe, im Verein zu spielen, durfte mein Vater nichts davon erfahren. Drei Jahre bin ich sonntags vor den Partien zu Hause rausgeschlichen, wenn er Mittagsschlaf gemacht hat. Nur meine Mutter wusste Bescheid. Mein Vater hat erst von meiner Leidenschaft erfahren, als ich mich verletzt hatte und ins Krankenhaus kam. Er hat getobt. Aber irgendwann konnte er es ja nicht mehr verbieten und hat es akzeptiert.
Wie waren die Reaktionen, als sie anfingen, sich als Schiedsrichterin zu engagieren?
Auch da gab es viele Vorurteile. Selbst in den Schiedsrichterlehrgängen wurde man in den 1970er-Jahren noch äußerst kritisch beäugt – und auf dem Platz erst recht. Es gab Leute, die haben mich zur Begrüßung gefragt, wie ich es wagen könne, als Frau ein Spiel zu leiten. Mich hat dieser Gegenwind einerseits wütend gemacht, andererseits war er auch ein Ansporn, es diesen Leuten zu zeigen. Und nicht selten hat das geklappt. Dann gab es viel positives Feedback.
Sie haben es also nie bereut, so viel Freizeit in diese Leidenschaft gesteckt zu haben?
Nein, ich habe es nicht eine Sekunde bereut. Und ich kann nur jedem Mädchen und Jungen empfehlen, Schiedsrichter zu werden. Denn in diesem Job lernt man so viel. Man muss schnell reagieren und Entscheidungen treffen. Man lernt, mit den Emotionen anderer klarzukommen, und erlangt Durchsetzungsvermögen. Das stärkt das Selbstvertrauen. Außerdem kommt man wirklich viel herum und mit interessanten Menschen in Kontakt. Ich habe zum Beispiel in den USA und auf Turnieren in Spanien gepfiffen. Und noch heute treffe ich namhafte Ex- Spielerinnen wie Birgit Prinz oder Steffi Jones, deren Spiele ich vor vielen Jahren geleitet habe.
ZUR PERSON:
Ruth Butzen begann im Alter von 17 Jahren, in ihrem Heimatverein FC Adler Werth Fußball zu spielen. Einige Jahre lief sie für den Klub, der 2009 mit dem SV Gressenich zur SG Stolberg fusionierte, als Torhüterin auf. 1977 begann sie dann – zunächst neben der aktiven Karriere –, sich auch als Schiedsrichterin zu engagieren. Inzwischen blickt die 65-Jährige auf eine 40 Jahre währende Laufbahn als Unparteiische zurück. Die ehemalige kaufmännische Angestellte stand in diesem Zeitraum bei 2.700 offiziellen Spielen als Schiedsrichterin oder Assistentin auf dem Platz. Zudem ist sie immer noch als Schiedsrichter-Beobachterin sowie seit rund 20 Jahren im Kreisschiedsrichterausschuss des Kreises Aachen tätig.
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