Herr Schneeloch, der LSB NRW hat sich mit der neuen Landesregierung auf die so genannte „Zielvereinbarung Nr. 1: Sportland NRW“ geeinigt. Bis 2022 sind 210 Millionen Euro als Gesamtförderung vorgesehen – eine jährliche Steigerung von 7,84 Mio. Euro zum bisherigen „Pakt für den Sport“. Wie bewerten Sie dieses Ergebnis?
Wir haben sehr gute Verhandlungen mit der neuen Landesregierung führen können, die sehr viel Verständnis für unsere und die Situation unserer engagierten Sportvereine aufgebracht hat. Wir haben unsere Forderungen im Vorfeld klar beziffert, damit jeder in der Landesregierung nachvollziehen konnte, warum wir zusätzliches Geld benötigen. Im Ergebnis haben wir dann sogar etwas mehr bekommen, als wir im Vorfeld gefordert haben.
Eine weitere Forderung des LSB lautete, dass der Sport in NRW zur Chefsache werden müsse. Andrea Milz wurde als Staatssekretärin für den Bereich Sport und Ehrenamt berufen und berichtet direkt an den Ministerpräsidenten. Ist das die gewünschte Aufwertung?
Auf jeden Fall. Wir haben mit Andrea Milz eine Powerfrau bekommen, die aus dem Sport kommt und sich unheimlich einsetzt. Sie ist eine gute Partnerin des organisierten Sports. Diese Personalie ist eine eindeutige Aufwertung des Sports, die dringend notwendig gewesen ist. Noch immer ist vielen die Bedeutung des Sports, auch für die Zukunft, nicht bewusst. Die Umwelt wird immer digitaler und die Anlässe und Räume zur alltäglichen Bewegung werden immer weniger – gerade auch für die Kinder. Es bleiben oftmals nur die Räume, die ihnen der Sport anbietet. Wenn die ihnen noch genommen werden, ist das eine Todsünde.
Wie wird der LSB das zusätzlich verfügbare Budget nutzen?
Die Frage darf nicht lauten: Welche Sportart bekommt wie viel Geld? Bei rund 18.500 Vereinen, die wir in NRW haben, würde es nicht helfen, einfach nur Geld an jeden Verein zu geben. Um einen Spielbetrieb, egal in welcher Sportart, zu gewährleisten, bedarf es gesunder Strukturen. Dinge wie Übungsleiterausbildungen, Schiedsrichteraus- und -weiterbildungen, aber auch die Organisation des Wettkampfsystems müssen gewährleistet sein. Ich war selbst einige Jahre Vorsitzender eines Fußballkreises, ich weiß ja, wovon ich spreche. Das muss auch alles finanziert werden können. Es ist wichtig, dass der Spielbetrieb gesund läuft und die Vereine Anreize bekommen, über den Spielbetrieb hinaus Angebote auf die Beine zu stellen. Zum Beispiel im Bereich Flüchtlingsintegration, wo sich der Fußball ja besonders anbietet. In den Vereinen wird letztlich der Sport angeboten, da zählt es. Einmalzahlungen helfen nicht. Stattdessen gilt es, Strukturen aufzubauen.
Wäre im Hinblick auf die Stärkung wichtiger Strukturen in den Verhandlungen mit der Landesregierung nicht noch mehr herauszuholen gewesen?
Wir haben Wert daraufgelegt, dass wir uns nicht wie auf einem Basar verhalten. Wir wollten Fakten schaffen und haben genau aufgezeigt, warum wir das Geld dringend brauchen und in welchen Bereichen wir welche Gelder benötigen. Etwa in den Fachkräftesystemen, die über Programme des LSB finanziert werden und sich bewährt haben. Zum Beispiel im Bereich „NRW bewegt seine KINDER!“. Durch das zusätzliche Budget konnten wir die Verträge der 70 Fachkräfte entfristen, was den jungen Menschen Sicherheit gibt.
In diesem Bereich profitiert auch der FVM direkt?
Ja. Jeder Fußballverband in Nordrhein-Westfalen verfügt neben Fachkräften für die Jugendarbeit unter anderem über eine Fachkraft im Programm „NRW bewegt seine KINDER!“ sowie eine weitere im Bereich Integration von Flüchtlingen über den Sport. Zudem kann der FVM natürlich auch projektoder maßnahmenbezogen Gelder und Mittel abrufen, etwa über das Projekt „Bewegt ÄLTER werden in NRW!“.
Provokant gesagt würde Breitensport, der für die Gesellschaft nahbar und entsprechend sinnvoll ist, auch ohne Spitzensport funktionieren. Warum ist dennoch eine Förderung des Spitzensports aus LSB-Sicht sinnvoll und wichtig?
Tatsächlich ist der Sport an der Basis insbesondere in Sachen Integration oder Inklusion beispielhaft. Nichtsdestotrotz ist der Leistungssport absolut wichtig. Nehmen Sie nur die Olympischen Spiele von Pyoengchang als Beispiel. Da ist eine Begeisterung im Land entstanden, fast vergleichbar mit einer WM oder EM im Fußball. Dieses Potenzial, ein ganzes Land zu bewegen, hat der Leistungssport. Aber wenn man die Olympischen Spiele 2032 nach Nordrhein-Westfalen holen will, muss man bis zur Bewerbungsfrist 2025 zeigen, was einem der Sport wert ist. Dann geht es eben nicht nur um Spitzensport, das fängt dann im Breitensport an. Wenn die Bevölkerung so ein Vorhaben mittragen soll, muss man an der Basis in den Sport investieren. Dann muss derjenige, der zum Sportverein geht, auch sehen, dass die Duschen funktionieren, er sich umziehen kann und eine vernünftige Atmosphäre herrscht. Da sind Investitionen unabdingbar, gleiches gilt für den Schulsport.
Explizit kein Teil der Verhandlungen war das Thema Sportstättenfinanzierung. Dabei gäbe es in diesem Bereich viel zu tun. So beträgt der Sanierungsstau bei Sportstätten in NRW nach LSB-Schätzungen mehrere Milliarden Euro.
Das Thema Sportstättenfinanzierung haben wir bewusst aus dieser Vereinbarung herausgelassen, um das, was wir letztlich auch erreicht haben, nicht zu gefährden. Mein Ziel ist, ein zusätzliches Sportstättenförderprogramm aufgelegt zu bekommen. Dazu habe ich demnächst ein Gespräch mit Ministerpräsident Laschet, und auch mit den Fraktionen sind wir im Gespräch. Von diesem Programm sollen auch die Vereine profitieren. Es gibt immer mehr Vereine, die Verantwortung für ihre Sportstätten beziehungsweise auch eigene Sportstätten übernommen haben. Sie haben zum Beispiel von Schließungen bedrohte Bäder übernommen oder Sportplätze, erhalten aber keine Förderung, weil die Förderlinien des Bundes nur in die Kommunen einfließen. Ich möchte daher ein Programm, wo wir direkt Fördermittel in die Vereine geben können, die eigene Sporträume haben. Für mich ist wichtig, dass wir ab 2019 ein solches Sportstättenförderprogramm realisieren. Das muss so zwischen 100 und 200 Millionen Euro pro Jahr liegen, damit wir diesen Sanierungsstau zumindest angehen können. Allein mit 100 Millionen ist das zunächst mal nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, egal ob der Sanierungsstau letztlich 2,4 oder womöglich 9 Milliarden Euro beträgt.
Welche weiteren Möglichkeiten gäbe es denn, gegen den Sanierungsstau bei Sportstätten anzugehen?
Es gibt Mittel, die die Kommunen für ihre Schulen abrufen können. In diesem Bereich wird oftmals beklagt, dass zu wenige Gelder abgerufen werden. Zum Thema Schule zählen natürlich auch die Schulsporthallen, die mit solchen Mitteln saniert werden könnten. Da hoffe ich, dass unsere Vereine vor Ort oder unsere Sportvertreter von den Bünden Wert darauflegen, dass diese Gelder abgerufen und dann auch für die Sporthallen eingesetzt werden. Es gibt viele Förderlinien, die man anzapfen kann, aber man muss natürlich wissen, was angeboten wird. Aber gerade im Bereich Schulsport, wäre es eine Möglichkeit, die Sanierung der Sporthallen über diese Förderung hinzukriegen. Sporträume an Schulen sind Unterrichtsräume, diesen Punkt vergessen viele. Und diese Bewegungsräume sind enorm wichtig. Deswegen bin ich oft auch von den Eltern enttäuscht, dass sie nicht mehr Power machen. Wenn eine Stunde Mathe oder Englisch ausfallen würde, wäre der Aufschrei groß. Der Sport muss an Schulen einen anderen Stellenwert bekommen und die Eltern haben da eine unheimliche Macht.
Darum sind Kampagnen wie „Das habe ich beim Sport gelernt“ auch so wichtig?
Es ist den meisten Menschen gar nicht bewusst, welches Bildungspotenzial der Sport hat. Und damit auch der Sportunterricht. Wir reduzieren Bildung oftmals auf die formale Bildung in der Schule, aber das kognitive Lernen, was über den Sport an Persönlichkeitsprofil entwickelt wird, das unterschätzen die meisten völlig. Darum haben wir diese Kampagne ins Leben gerufen, um deutlich zu machen, was im Sport geleistet wird und an Bildung abläuft. Dieser eindeutige Zusammenhang ist auch vielen Vertretern aus dem Sportbereich gar nicht aufgefallen. Wenn uns aber im Sport das schon nicht bewusst ist, dann kann ich nicht erwarten, dass es in der Gesellschaft oder der Politik ein Bewusstsein dafür gibt. Aus diesem Grund haben wir in Nordrhein- Westfalen diese erfolgreiche Kampagne gestartet, die mittlerweile von vielen Landessportbünden übernommen wurde. Das freut mich sehr, denn den Bildungsfaktor des Sports aufzuzeigen, ist unheimlich wichtig.
Mitte April startete mit dem Aktionsjahr „TAGE DER EHRE – 365 Aktionen fürs Ehrenamt“ eine weitere große Initiative für den Sport. Was steckt dahinter?
Wir sprechen immer davon, dass die größten Ressourcen, damit Sportvereine ihren Sport anbieten können, zwei Dinge sind: die Sporträume und das Ehrenamt. Darauf baut der Sport auf. Wenn ich dafür kämpfe, dass der Sport stärker hauptamtlich unterstützt wird, dann auch, weil ich der festen Überzeugung bin, dass er dann auch wieder mehr Ehrenamtler gewinnt. Denn wenn Ehrenamtler von bestimmten Dingen entlastet werden, die sie zeitlich oder thematisch überfordern, dann können sie sich stärker auf ihr Ehrenamt konzentrieren. Um das Ehrenamt weiter zu stärken, haben wir diese Initiative (www.sportehrenamt.nrw) aufgebaut, die über mehrere Jahre laufen soll. Für die Vereine haben wir als Anreiz für jeden Tag im Jahr 500 Euro zur Verfügung gestellt. Diese Fördersumme können die Vereine ganz leicht beantragen. Wir haben das nötige Prozedere recht klein gehalten, um keinen auszuschließen und den Ehrenamtlichen nicht noch mehr Arbeit zu machen. Darüber hinaus haben wir Ehrenamts-Motive erstellt, die die Bedeutung der einzelnen Posten visualisiert. Weitere Ziele sind die Einführung sogenannter Ehrenamtsmanager und die Erstellung einer Online-Ehrenamtsbörse. Wir wollen den Vereinen auf diesem Weg helfen, qualifizierte Ehrenamtler für die wichtigen Aufgaben zu finden – denn sie sind das Herzstück unserer Vereine.
Zur Person:
Walter Schneeloch (71) ist seit 2005 Präsident des Landessportbundes NRW sowie seit 2006 und noch bis Jahresende auch DOSB-Vizepräsident für das Ressort Breitensport/Sportentwicklung, zudem seit 2005 Vorsitzender der DOSB-Führungsakademie. Der gebürtige Bensberger war von 1992 bis 2001 Vorsitzender des Fußballkreises Rhein-Berg und von 1992 bis 2005 Vizepräsident des Fußball-Verbandes Mittelrhein.
Interview: Stefan Kühlborn