Der FC Germania Zündorf ist in Köln und weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt für seine Aktivitäten im Inklusionsfußball. Trainer der Mannschaft ist Gökhan Erdek. Was reizt den 27-Jährigen daran, Menschen mit und ohne Handicap in einer Mannschaft zu vereinen?
Der Nieselregen tut der Stimmung keinen Abbruch. Die Bälle fliegen aufs Tor, es wird gejubelt, aufgemuntert, angefeuert, manchmal auch kritisiert. Aber fast immer sieht man strahlende Gesichter. Man sieht junge und ältere Menschen, die ihrem Hobby nachgehen, die Fußball spielen. Das Besondere an der Konstellation an diesem Abend beim FC Germania Zündorf, einem Verein aus dem Kölner Süden, ist, dass sich die Trainingsgruppe aus Fußballer*innen mit und ohne Handicap zusammensetzt.
Die Inklusionsmannschaft des Klubs besteht aus 40 Menschen mit und ohne Behinderung – und sie wächst ständig. Die Spieler*innen sind zwischen sieben und 75 Jahren alt. Der Ruf ist so gut, dass Sportler*innen aus ganz Köln und sogar weit über die Stadtgrenzen hinaus kommen, um Teil dieser Gemeinschaft zu sein. Seit 2016 wird die Mannschaft von Gökhan Erdek betreut, der für ein Engagement schon mehrfach ausgezeichnet wurde.
"Es macht einfach unfassbar viel Spaß"
"Das ist eine schöne Bestätigung für die Arbeit, die wir hier gemeinsam und im Team machen", sagt Erdek. "Aber das ist nicht unser Antrieb. Wir machen es, um den Menschen etwas Abwechslung zu bieten und ihnen die Möglichkeiten zu geben, Fußball zu spielen. Man kann die Freude und die Dankbarkeit, die uns entgegengebracht wird, nicht in Worte fassen. Es macht einfach unfassbar viel Spaß, dieses Projekt zu leiten."
Erdek macht das seit acht Jahren ehrenamtlich. Zweimal in der Woche organisiert er das Training. Am Wochenende stehen Spiele, Turniere oder sonstige Aktivitäten auf dem Programm. Im Dezember beispielsweise findet eine Tour zu einem Heimspiel des 1. FC Köln statt – schon heute gibt es kaum ein anderes Thema im Team.
Erdek teilt gerne sein Wissen zum Inklusionsfußball, damit die Community wachsen und voneinander lernen kann. Seit dem vergangenen Jahr ist er Inklusionsbeauftragter des Fußball-Verbandes Mittelrhein (FVM) und damit Ansprechpartner für Verantwortliche, die ebenfalls Inklusionsfußball anbieten wollen. Erdek sagt: "Ich kann es wirklich nur empfehlen, diesen Schritt zu machen. In Zündorf haben wir sehr schnell alle Widerstände abbauen können. Heute ist unsere Mannschaft voll im Klubleben integriert. Alle profitieren gegenseitig voneinander."
FC Germania Zündorf: Für seine Aktivitäten im Inklusionsfußball bekannt
Zur Wahrheit gehört auch: Der FC Germania Zündorf ist vor allem für seine Aktivitäten im Inklusionsfußball bekannt. Das Team ist inzwischen das Aushängeschild des Vereins. In diesem Sommer waren 28 andere Klubs aus Deutschland und dem benachbarten Ausland in Zündorf zu Gast, um Teil eines inklusiven Fußballturniers zu sein – vermutlich eine der größten Veranstaltungen auf diesem Gebiet, das es in Deutschland jemals gegeben hat.
Eine der Spielerinnen der Mannschaft ist Michelle. Die 30-Jährige ist auf einen Rollator angewiesen und trotzdem selbstverständlich ein vollwertiger Teil der Mannschaft. Michelle sagt: "Es war schon als kleines Kind mein großer Traum, Fußball zu spielen. Wegen meiner Gehhilfe habe ich leider nie die Möglichkeit dazu gehabt. Dann habe ich von diesem Projekt hier erfahren und angefragt, ob ich mitmachen kann. Ich bin sofort mit offenen Armen empfangen worden. Es macht einfach unfassbar viel Spaß, Teil dieser Gemeinschaft zu sein. Ein Traum ist für mich wahr geworden."
Dennis, ebenfalls 30 Jahre, ist einer der Fußballer des Teams, der keine Behinderung hat. Warum ist er dabei? "Es fasziniert mich, mit welcher Begeisterung hier Fußball gespielt wird. Wir wollen bei Turnieren und Spielen natürlich gewinnen. Aber hier steht ganz klar die Gemeinschaft im Vordergrund. Es macht mir unheimlich viel Spaß, meinen Teil dazu beitragen zu können, dass wir hier echt ein tolles Team sind, in dem man sich gegenseitig unterstützt und hilft."
Trainer Erdek strukturiert das Training so, dass alle mitkommen: "Viele unserer Spielerinnen und Spieler haben eine kognitive Beeinträchtigung. Ich arbeite viel mit farbigen Hütchen und möglichst einfachen Übungen. Gleichzeitig sind klare Ansagen und Vorgaben wichtig, damit jede und jeder weiß, was zu tun ist. Mir ist es wichtig, dass alle mit Freude bei der Sache sind. Ob der Ball ins Tor fliegt oder eben nicht, ist für mich eher zweitrangig."
5 wichtige Tipps von Gökhan Erdek, die man vor der Gründung einer Inklusionsmannschaft beachten sollte:
- Mutig sein und einfach loslegen: "Man kann alles lange und genau planen, aber am Ende findet ein Projekt nicht den Weg aus der Theorie in die Praxis. Das ist leider immer häufiger so. Daher mein entscheidender Tipp: Einfach loslegen, alles weitere kommt später."
- Spieler*innen aktiv ansprechen: "Verantwortliche sollten in Schulen und Werkstätten gehen, um Fußballerinnen und Fußballer mit und ohne Handicap für das Projekt zu begeistern. Vor allem bei Menschen mit Behinderung wird man sehr schnell die Begeisterung für den Fußball wecken können."
- Hilfe holen: "Es ist total sinnvoll, sich Ratschläge und Tipps bei Vereinen zu holen, bei den Inklusionsfußball bereits angeboten wird. Auch die Inklusionsbeauftragten der Landesverbände stehen mit Rat und Tat gerne zur Seite.
- Öffentlichkeit suchen: "Es hat selten geschadet, Gutes zu tun und auch darüber zu berichten. Teilt also in den sozialen Medien und auf anderen Plattformen die Erfahrungen, die ihr mit dem Inklusionsfußball macht."
- Partner*innen finden: "Meine Erfahrung zeigt, dass sich regionale Unternehmen gerne im Umfeld einer Inklusionsmannschaft engagieren – zum Beispiel bei der Ausstattung mit Trikots, Fußbällen oder Trainingsausrüstung."
Weitere Informationen zum Thema in Inklusion im FVM finden Sie hier.