Fokus auf Spielmanagement: Neuer Beobachtungsbogen für Schiedsrichter*innen in dieser Saison

Fokus auf Spielmanagement: Neuer Beobachtungsbogen für Schiedsrichter*innen in dieser Saison

Die FVM-Schiedsrichter*innen haben in dieser Saison einen neuen Beobachtungs- und Coaching-Bogen – und das von der Bezirksliga bis in den Profibereich. Aber wie funktionieren die Beobachtungen bei den Unparteiischen überhaupt? Beides erklären Experten aus Verband und DFB in diesem Bericht.

Was ist der Unterschied zwischen Fußball-Spieler*innen und Schiedsrichter*innen? Auf jeden Fall die Aufstiege! Denn die sind bei den Referees (leider) nicht ganz so objektivierbar wie bei ihren kickenden Kolleg*innen. Denn bei denen steigt auf, wer die meisten Tore schießt und Siege erzielt. Zwischen den Unparteiischen und dem (hoffentlich verdienten) Lohn einer ganzen Saison steht nämlich die Beobachtung. Und genau die wurde zu Beginn der aktuellen Saison jetzt einer Art „Revolution“ unterzogen.

Ein neuer Beobachtungs- und Coaching-Bogen wurde von einer Arbeitsgruppe im DFB erarbeitet – und mit diesem werden die Referees jetzt in allen Landesverbänden bewertet. „Das oberste Ziel ist es, die Leistung der Schiedsrichter*innen zu optimieren“, erklärt Michael Bernhardt, der als stellvertretender Vorsitzender im Verbandsschiedsrichter-Ausschuss (VSA) im FVM für die Beobachtungen zuständig ist. „Eine neutrale Fachkraft soll ihm eine qualifizierte Rückmeldung geben.“

Diese Fachkraft wird Beobachter*in genannt – weil sie das Spiel und vor allem den Schiri während der Spielleitung beobachtet, von der Tribüne des Stadions oder vom Spielfeldrand aus. Ihre Eindrücke werden in eine Punktzahl gegossen – und entscheiden ab der Bezirksliga über Auf- und Abstiege der Unparteiischen. Und auch in den Kreisen werden Beobachter*innen eingesetzt, um Talente zu erkennen und zu fördern. Beobachter*innen sind keine Geheimniskrämer: Sie melden sich vor dem Spiel beim Referee und geben ihm auch nach dem Spiel einen Eindruck des Spiels.

Meistens handelt es sich um ehemalige Schiedsrichter* innen, die das „Geschäft“ also aus eigener Anschauung kennen. „Normalerweise beobachten nur Schiedsrichter*innen in den Verbandsklassen, die selbst auf Verbandsebene gepfiffen haben“, so Bernhardt. „Wir haben aber auch die Möglichkeit, über einen Qualifikationslehrgang Beobachter*innen heranzuführen, die selbst nicht so hoch unterwegs waren, wenn sie gut sind.“

Bernhardt betont dabei aber auch: „Das Wichtigste ist, dass der/die Schiedsrichter*in nicht so pfeift wie der/die Beobachter*in früher mal gepfiffen hat, nur um zu gefallen. Ein*e gute*r Beobachter*in kann objektivieren und hat so Draufsicht auf Spiel und Schiri. Das versuchen wir in unseren Lehrgängen herzustellen.“ Ein früherer Zweitliga-Schiedsrichter müsse sich etwa auch „in die Bezirksliga runter denken“ können.

So wie Hans-Jürgen Baier. Früher selbst als Schiedsrichter und Assistent im Profibereich tätig, beobachtet der Troisdorfer nun selbst Sonntag für Sonntag seine Nachfolger auf dem Platz. „Ich denke immer pro Schiri“, sagt Baier. „Wenn ich nicht komplett sicher bin, dass ein Fehler gemacht wurde, dann beharre ich auch nicht darauf. Aber wenn Fehler passieren, muss man sie auch benennen, damit alle daraus lernen können.“

Auch Michael Bernhardt betont: „Schlüsselqualifikationen für für Beobachter*innen sind einheitliche Regel-Auslegungen, Empathie für Spiel und Schiri sowie eine gute Vermittlungsfähigkeit. Denn die Beobachter*innen sollen immer auch Coach sein – und den Unparteiischen im Gespräch nach dem Spiel aufzeigen, was sie besser machen können.“

Die Ausbildungen gehen deshalb auch Hand in Hand. „Wenn der/die Schiedsrichter*in besser ausgebildet ist als der/die Beobachter*in, haben wir ein Problem“, so Bernhardt. „Umgekehrt aber auch.“

Der neue Beobachtungsbogen will noch mehr Transparenz schaffen. „Das ist ein Meilenstein, ein Projekt, das vielen auf den Nägeln brannte“, sagt Florian Steinberg. Der Vorsitzende des Schiedsrichterausschusses des Süddeutschen Fußball-Verbandes leitete die Arbeitsgruppe im DFB-Schiedsrichterausschuss, die den neuen Bogen erarbeitet hat. „Wir haben über mehrere Jahre daran gearbeitet.“ Das sei dringend notwendig gewesen: „Es wurde von vielen Kollegen angemerkt: ,Wir hatten ja keine schweren Spiele, in denen wir uns auszeichnen konnten‘. Schiedsrichter*innen können sich aber bei jedem Spiel auszeichnen. Dem wollen wir mit dem neuen System Rechnung tragen.“

Welche Anforderungen soll das neue System erfüllen? „Uns waren drei Dinge besonders wichtig: Erstens wollen wir die Spielleitung in den Vordergrund stellen, nicht die Einzelszene. Das Image der/des Beobachtenden als Fehlersucher und Erbsenzähler soll verschwinden. Er soll zwar detailliert auf die Dinge eingehen, aber in erster Linie die Gesamtspielleitung und das Spielmanagement bewerten. Zweitens muss der Bogen transparenter werden. Das heißt, er muss die Schwachstellen genauso wie die Stärken der einzelnen Person begreifbar machen. Drittens müssen die Beobachtungsbögen ein Ranking als Bewertungsgrundlage für Auf- und Abstieg erzeugen und gleichzeitig detaillierte Coaching-Ansätze für die Weiterentwicklung liefern. Dafür gibt es auch ein Leistungsprofil. Das gibt uns endlich über die Entwicklung der/des Schiedsrichter*in detailliert Auskunft, persönlich und in Bezug auf den Rest der Gruppe. So können wir dann nicht mehr mit der Gießkanne fördern, sondern ganz gezielt.“

Dafür wird eine Schiedsrichter-Leistung in Kategorien und Unterpunkte aufgefächert. Bekommt ein*e Schiri in allen Aspekten weder Auf- noch Abwertungen, steht am Ende eine Punktzahl von 240 Punkten. „Da gibt es die Kategorien Zweikampfbewertung, Disziplinarkontrolle, persönliches Auftreten, Lauf- und Stellungsspiel sowie Zusammenarbeit mit den Assistenten und spielrelevante Einzelentscheidungen.“

Vor allem letztere fällt ins Gewicht. Steinberg: „Machen wir uns nichts vor: Ein Schiedsrichter kann 89 Minuten alles richtig machen. Wenn er in der 90. Minute einen Strafstoß falsch verhängt und eine Mannschaft dadurch 0:1 verliert, können wir nicht mehr von einer guten Schiedsrichter-Leistung sprechen, weil sie an diesem Tage dann einen Makel hat. Wenn die Szene spielrelevant ist, kommt sie deshalb doppelt vor. Dazu zählen Tore, Strafstöße und Feldverweise. Damit ist der Umstand und die Bedeutung solcher Szenen angemessen berücksichtigt.“

Und das funktioniert so: „Die Unterpunkte sind mit einem Faktor versehen, der berücksichtigt, wie wichtig dieser Unterpunkt ist. Beispiel: Wenn ein*e Schiedsrichter*in im Bereich Ermahnungen besonders gut ist, wird dies aufgewertet, aber nur mit dem Faktor 1. Bei einem Feldverweis gilt hingegen der Faktor 3, bei einer Verwarnung der Faktor 2. Es gibt also eine Abstufung anhand der Bedeutung der Aufgaben. Das hatten wir noch in keinem Bogen. Früher wurden persönliche Bestrafungen an sich auf- oder abgewertet. Aber die Schwierigkeit der Aufgabe ist ja entscheidend. Das ist für uns ein wesentlicher Punkt, um dem Schiedsrichter in der Bewertung gerechter zu werden.“

Außerdem helfe beim neuen Bogen viel mehr als bislang die Technik dahinter. „Der neue Bogen wird im DFBnet hinterlegt, mit einer Art Bedienerführung für den/die Beobachter*in. Wenn er/sie den Bogen ausfüllt, wird mit Hinweisen unterstützt – außerdem hat der Bogen eine Kontrollfunktion. Wird ein Kreuz vergessen oder zu viel gesetzt, gibt es eine Fehlermeldung. Außerdem wird die Endnote automatisiert anhand der Auf- und Abwertungen ausgerechnet.“

FVM-Fachmann Michael Bernhardt begrüßt den neuen Bogen. „Der Vorteil ist, dass damit alles individueller und feingliedriger ist. So kann jeder Leistung mehr Rechnung getragen werden.“

Bleibt die Frage: Geraten sich Schiedsrichter*innen und Beobachter*innen über ihre Bewertungen auch mal in die Haare? „Wo Menschen über Menschen entscheiden, gibt es auch Reibung“, erzählt Bernhardt aus seiner jahrelangen Erfahrung. Aber auch hierfür hat er eine Lösung: „Wenn ein*e Schiedsrichter*in nicht zufrieden mit der Punktzahl ist, kann er/sie uns das melden. Dann besprechen wir die Beobachtung mit ihm.“

Übrigens: Reich wird durch Schiri-Beobachtungen niemand. „Das ist ganz klar ein ehrenamtliches Engagement“, betont Bernhardt. „Nur die Unkosten können erstattet werden, die Spesen betragen 22,50 Euro. Wir statten unsere Beobachter*innen dazu regelmäßig mit einer Stadionjacke oder einem neuen Regelheft aus.“

 

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