Geschichten hat Olaf Janßen in den vergangenen Jahren im Bitburger-Pokal viele erlebt. Viermal hat der 58-Jährige den Drittligisten Viktoria Köln zum Titelgewinn geführt. Nun wird er zum vorerst letzten Mal zu den Protagonisten gehören und damit eine ganz persönliche Geschichte schreiben. Das Endspiel am Samstag, 24. Mai, 16.30 Uhr, im Sportpark Höhenberg (Günter-Kuxdorf-Weg 1) gegen den Ligarivalen TSV Alemannia Aachen ist sein Schlussakkord in Köln. „Das Wissen, diesen Platz zum letzten Mal als Kölner Cheftrainer zu betreten, wird mit Sicherheit für spezielle Momente sorgen“, sagt der langjährige Profi, der seinen Abschied bereits vor einigen Wochen bekannt gegeben und inzwischen mit dem Drittliga-Absteiger und künftigen Südwest-Regionalligisten SV Sandhausen auch eine neue Herausforderung gefunden hat. Im bisherigen Co-Trainer Marian Wilhelm steht auch sein Nachfolger fest.
Janßen will gehen, wie er schon einmal gegangen ist: als Champion. 2018 gewann er wenige Monate nach Beginn eines ersten Engagements im Kölner Rechtsrheinischen den Cup und heuerte anschließend als Co-Trainer von Bruno Labbadia zum Bundesligisten VfL Wolfsburg an. Der Rückkehr zur Viktoria folgten drei weitere Siege im Bitburger-Pokal. Nur einmal in den vergangenen Jahren erlebte der gebürtige Krefelder eine Niederlage in diesem Wettbewerb: Im Februar 2024 unterlag die Viktoria im Viertelfinale mit 0:2 bei der TSV Alemannia Aachen. „Ich habe diesen Wettbewerb immer geschätzt. Es ist jedes Mal etwas Besonderes, bei den kleineren Vereinen anzutreten, wo eine spezielle Atmosphäre herrscht und du spürst, dass dieses Match für den Gastgeber das Spiel des Jahres ist. Das Endspiel ist dann wieder etwas anderes, mit seinem besonderen Rahmen, der Chance auf einen Titelgewinn und der Qualifikation für den DFB-Pokal“, so Janßen, der im nationalen Cup-Wettbewerb mit der Viktoria viele große Spiele erlebte, die sich in die Erinnerung eingebrannt haben. „Wir haben gegen Hoffenheim, Bayern München und Werder Bremen gespielt. Das waren besondere Erlebnisse. Das alles zusammen macht den Bitburger-Pokal so begehrt, nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht“, findet er.
Olaf Janßen sieht ein stimmiges Gesamtpaket
Zu diesem stimmigen Gesamtpaket gehört laut Janßen auch die Zugehörigkeit des Endspiels am Mittelrhein zum bundesweiten Finaltag der Amateure. „Diese Idee ist einfach nur gut. Das sieht man am Zuschauerzuspruch vor den Bildschirmen und in den Stadien. Zusammen mit dem DFB-Pokalfinale in Berlin entsteht wirklich ein Pokal-Samstag, ein toller Tag für den deutschen Fußball“, erklärt der Viktoria-Trainer.
An der großen Bedeutung des Spiels am Samstag lässt auch Heiner Backhaus, Janßens Pendant auf der Trainerbank der Alemannia, keinen Zweifel aufkommen. Er erlebte schließlich im vergangenen Jahr, welche Emotionen ein Erfolg im Bitburger-Pokal auslösen kann. Tausende Alemannia-Fans feierten damals ausgelassen den 4:2-Sieg im Finale gegen den Mittelrheinligisten Bonner SC. Nach dem Aufstieg in die Dritte Liga war dies ein zweiter Feiertag für den Traditionsverein binnen kurzer Zeit. „Erst die Meisterschaft zu gewinnen und dann den Pokal in die Höhe zu stemmen, das ist etwas, das passiert dir im Leben nicht so oft, vielleicht nie wieder“, so Backhaus.
Heiner Backhaus ist stolz auf das Erreichte
Nun hat er immerhin die Chance auf ein gefühltes Double: Denn der vorzeitige Klassenerhalt als Tabellenzwölfter in der dritthöchsten Spielklasse der Republik fühlt sich beinahe wie ein Titelgewinn an. „Das ist vielleicht nicht leicht zu vermitteln, aber sportlich ist der Ligaerhalt höher einzuschätzen als der Aufstieg. Die Dritte Liga hat eine ganz andere Qualität als die Regionalliga. Die Wucht der Gegner ist eine andere. Wir müssen sehen, wo wir herkommen und dürfen stolz darauf sein, das geschafft zu haben. Wir haben das Maximum herausgeholt“, betont Backhaus. Aachens Offensivspieler Baxter Bahn sieht das ähnlich: „Mit Blick auf mein Saisonfazit ist zu sagen, dass wir während der gesamten Spielzeit nicht einmal unter dem Strich standen. Da lässt sich festhalten, dass das als Aufsteiger eine starke Leistung ist – gerade in dieser engen Liga mit vier Absteigern.“ Nun habe man mit dem Bitburger-Pokalfinale „noch einmal ein ganz wichtiges Spiel für diesen Verein. Die Fans sind heiß auf das Spiel gegen Viktoria, genau wie wir“, macht Bahn deutlich.
Kein Zweifel, die Alemannia ist zurück auf der Landkarte des deutschen Profifußballs und die Begeisterung der Anhängerschaft in der westlichsten deutschen Großstadt spielt beim Aufschwung des Traditionsvereins eine gewaltige Rolle: Rund 26.000 Zuschauer*innen kommen im Schnitt auf den Tivoli, der sich seit dem Stadionneubau im Jahr 2009 in eine moderne, aber nicht minder stimmungsvolle Arena verwandelt hat. „Der Verein wird von den Fans getragen. Unser Publikum ist unfassbar wichtig“, sagt Alemannia-Coach Heiner Backhaus. Zwar sei die Chance, diesen Support in einen Titelgewinn umzumünzen am heimischen Tivoli größer, aber auch in Höhenberg sei es möglich, mit guten Fans im Rücken Antworten auf die Herausforderungen des Spiels gegen Köln zu finden, ist er überzeugt.
„Wir brauchen eine Topleistung“
„Wir brauchen eine Topleistung gegen diesen starken Gegner“, so Backhaus, der weiß, wie es sich anfühlt, mit kalten Bier geduscht zu werden und einen Pott in den Händen zu halten. 2021 gewann der Coach mit dem FC Rot-Weiß Koblenz den Rheinlandpokal, ehe er im vergangenen Jahr dann Aachen zum Titelgewinn in der Regionalliga und im Bitburger-Pokal führte. Der 43-Jährige ist weit herumgekommen, nachdem er einst als im Profifußball für Hannover 96 debütierte. Er lernte deutsche Vereine kennen, spielte aber auch auf Malta, in Hongkong und in Zypern und er coachte fünf Vereine, ehe er in Aachen sein Glück fand. Der Weg zum Erfolg führte den gebürtigen Wittener dabei immer über Willen, Mut und Ausdauer. „Auch im Finale wird die körperliche Bereitschaft wichtig sein“, stellt er klar. Daher habe man zuletzt angeschlagenen Akteuren ein wenig Ruhe gegönnt. Abgesehen vom gelb-rot-gesperrten Jan-Luca Rumpf werden wohl alle Spieler um Kapitän und Abwehrchef Mika Hanraths zur Verfügung stehen. „Wir sind bereit für die volle personelle Breitseite“, so Backhaus.
Das sieht beim Kontrahenten und neunmaligen Pokalsieger nicht anders aus. „Ich gehe davon aus, dass wir komplett sind“, sagt Janßen. Das ist auch gut so. Denn sein Team um den 18-jährigen Shootingstar Said El Mala, der Schnelligkeit, Spielintelligenz, Dribbelstärke und Abschlussstärke vereint, steht vor einer großen Herausforderung. In der Meisterschaft unterlag die Viktoria im September mit 0:1 in Aachen, ehe es im Rückspiel ein 3:1 gab. „Aus meiner Sicht hat Aachen als Aufsteiger eine herausragende Saison gespielt. Sie schaffen es immer wieder, mit Pressing und hoher Intensität ihr Spiel durchzuziehen und dem Gegner wenig Luft zu lassen“, betont Janßen. Der Olympia-Bronzemedaillen-Gewinner von 1988 weiß aber auch um die spielerische Klasse seiner Elf, die den Spitzenteams der Dritten Liga lange auf den Fersen blieb, die Serie als Tabellensechste beendete und nun genau wie die Alemannia den perfekten Saisonabschluss will.