#leidenschaftzählt

Mädchen & Frauen im Fußball am Mittelrhein

Anlässlich des 50. Jahrestages der Aufhebung des Frauenfußball-Verbots im DFB (Okt. 1970) hat der FVM im Jahr 2020 die Förderung des weiblichen Fußballs nochmals stärker in den Fokus gerückt.

Daher hat das FVM-Präsidium eine AG mit dem Schwerpunkt „Mädchen und Frauen im Fußball am Mittelrhein“ ins Leben gerufen. Eingebunden sind Vertreter*innen aus verschiedenen Verbandsgremien und dem Hauptamt, mit denen die Themen gremienübergreifend und ganzheitlich entwickelt werden. Darüber hinaus gibt es Expert*innengruppen zu speziellen Projekten.

Ziel ist es, die Sichtbarkeit des weiblichen Fußballs zu erhöhen und sportliche wie ehrenamtliche Aktivitäten von Mädchen und Frauen im Fußball weiter zu stärken.

„Wir wollen mehr Mädchen und Frauen auf dem Platz und mehr Vielfalt in unseren Gremien“, erklärt der frühere FVM- und heutige DFB Präsident, Bernd Neuendorf. „Die Anzahl der weiblichen Mannschaften und Spielerinnen im Amateurbereich ist in den vergangenen Jahren trotz des an vielen Orten vorhandenen großen Engagements zurückgegangen. Das hat letztlich auch Auswirkungen auf den Fußball an der Spitze. Auch, was den Anteil der Mädchen und Frauen im Ehrenamt betrifft, können wir in Vereinen und im Verband noch deutlich zulegen.”

Auf dem Weg dahin sind die UEFA-EURO 2024 in Deutschland und die gemeinsame Bewerbung des Deutschen Fußball-Bundes mit den Fußballverbänden in den Niederlanden und Belgien um die Ausrichtung der FIFA-Frauen-WM 2027 wichtige Meilensteine für den FVM. „Diese Ereignisse müssen wir schon im Vorfeld nutzen, um dem Mädchen- und Frauenfußball in unserer Region einen deutlichen Schub zu verleihen“, so Neuendorf.

Eine eigens eingerichtete Arbeitsgruppe hat auf Basis einer Umfrage bei den FVM-Vereinen im letzten Jahr Maßnahmen für die nächsten Jahre entwickelt. Dazu gehören ein Mentoring-Programm für Trainer*innen von Juniorinnenmannschaften, Workshops für weibliche Führungskräfte und Netzwerktreffen mit Vereinen und Kreisverantwortlichen. Zudem liegt ein Schwerpunkt auf dem Thema Kommunikation.



Teasing-Video: #leidenschaftzählt


Kommunikationskanäle

Wöchentliche Schwerpunktthemen in den sozialen Medien sind ein Hauptelement der Kampagne, um insbesondere junge Mädchen und Frauen zu erreichen. Dabei werden vor allem auf dem Instagram-Kanal des FVM die Themen gespielt, die die Zielgruppe bewegen. Eine Sonderausgabe des Verbandsmagazins rundet die kommunikativen Maßnahmen ab.

Sonderheft zum Mädchen- und Frauenfußball im FVM

Unter anderem ist in einer Gruppe eine EINSZUEINS-Sonderausgabe entstanden, die das Thema „Mädchen und Frauen im Fußball am Mittelrhein“ in seinen vielen Facetten beleuchtet. Inhalte sind unter anderem Rückblick samt Statistik, wissenschaftliche Beiträge, Umfrageergebnisse unter FVM-Vereinen, Best Practice-Beispiele und persönliche Statements.

Hier stehen bewusst zunächst Menschen im Fokus, die eng mit dem Mädchen- und Frauenfußball am Mittelrhein verbunden sind, auch um diesen durch die verdiente Bühne für ihr Engagement zu danken. Ergänzt werden die Statements in den nächsten Monaten und Jahren immer wieder in den sozialen Medien durch Vertreter*innen z.B. des DFB/anderer Institutionen sowie politischen Vertreter*innen und Partner-Organisationen, um auch diese einzubinden und zudem Reichweiten über die FVM-Medien hinaus zu generieren.

Lesen Sie das Sonderheft zum Mädchen- & Frauenfußball im FVM hier.

Themen aus dem Sonderheft

  • Über Gänsehautmomente, ein Leben mit und ohne Fußball

    Über Gänsehautmomente, ein Leben mit und ohne Fußball

    Ein Interview von Sarah Schreiner und Maria Tietze mit Catrin Bünger

    Was war dein erster großer sportlicher Erfolg in deiner Fußballkarriere?

    Gefühlt war das der 3. Platz bei der WM 1987 in Taiwan. Ich war zwar zuvor auch bei der WM 1984 dabei, die wir ja gewonnen hatten, da war ich aber noch „klein“ (17 Jahre) und habe keine große Rolle gespielt. Wir hatten damals großes Glück, dass wir mit SSG09 dann auch an der Weltmeisterschaft 1987 teilnehmen durften, denn es gab ja bereits eine Frauennationalmannschaft. Da wir aber ja die WM 1984 gewonnen hatten und somit Titelverteidiger waren, durften wir anstatt der Nationalmannschaft auch diesmal antreten und diesen verteidigen. Es war eine tolle Erfahrung, auch wenn es nicht zum erneuten Titel gereicht hat.

    Dafür waren die beiden darauffolgenden Saisons 1987/88 und 1988/89 für mich und die SSG zwei erfolgreiche Jahre. Wir haben es beide Male ins Finale der Deutschen Meisterschaft geschafft und durften am Ende die Schale mit nach Hause nehmen. Vor allem das Finale 1988 gegen Duisburg war ein echtes Gänsehauterlebnis. Vor dem Spiel hatte sich eine Stammspielerin verletzt und meine Trainerin fragte mich, ob ich mir zutrauen würde, für sie zu spielen. Ich habe ohne Zögern „ja“ gesagt, ...bin dann aber erstmal heimlich in die Kabine gerannt, weil mir vor Aufregung ganz schlecht war. Das Spiel war dann der reinste Krimi und am Ende haben wir knapp mit 5:4 im Elfmeterschießen gewonnen.

    Wann hast du dann deine Fußballkarriere beendet?

    Das war 1995, als mein Examen zur Physiotherapeutin anstand. Ich hatte Angst, mich zu verletzen und habe deswegen bei der SSG09 aufgehört. Allerdings bin ich dann 1997 nochmal zurückgekommen. Die Mannschaft war in der Zwischenzeit zum TuS rrh. gewechselt und musste, aufgrund des Wechsels, die Bundesliga verlassen und eine Liga tiefer spielen. Da habe ich dann noch ein Jahr mitgekickt. Aber dann war irgendwie die Luft raus und ich habe die Fußballschuhe an den Nagel gehangen – wohlweislich, dass ich sie sicher irgendwann nochmal schnüren werde – nicht zu hoch.

    Wie lang hast du es dann ohne den Fußball ausgehalten, bzw. hat er dir überhaupt gefehlt?

    Er hat mir tatsächlich zunächst nicht gefehlt. Erst als wir 2007 von Köln in das kleine Dorf Hohkeppel gezogen sind, kam der Fußball zurück in mein Leben.

    In welcher Form?

    Ich begann als Trainerin der U15 Mädels beim SV Eintracht Hohkeppel. Das hatte ich der Hartnäckigkeit einer mittlerweile guten Freundin zu verdanken. Elke Burgmer, Bambini-Trainerin und wahnsinnig engagierte Mädchenbeauftragte des SVE, schmiss sich jeden Morgen bei ihrer Joggingrunde vor mein Auto, als ich zur Arbeit fuhr, und nervte mich so lange, bis ich die Frage, ob ich nicht als Trainerin bei Hohkeppel anfangen wollte, endlich mit „ja“ beantwortete, um nicht weiter jeden Morgen zur spät zur Arbeit zu kommen.

    Wie war für dich deine Zeit als Trainerin?

    Schön. Zeitweise anstrengend, aber auch immer wieder lustig. Fünf Jahre habe ich die Mädels trainiert und habe sie von der U15 bis in die U17 begleitet. Ein interessanter Lebensabschnitt. Bisher kannte ich nur meine eigene Pubertät, aber die geballte Ladung von 16 Mädels gleichzeitig, das war nicht immer leicht, wenn auch wie gesagt zeitweise sehr amüsant. Ich habe früher in diesem Alter immer mit voller Leidenschaft Fußball gespielt und so auch die anderen Mädels in meinem Team. Als Mädchen war es damals nicht selbstverständlich, dass man Fußball spielen durfte und so waren eigentlich nur die auf dem Platz, die auch zu 100% Bock und den Willen dazu hatten. Dass das über 20 Jahre später bei meinen Mädels bei Hohkeppel mittlerweile anders aussah, war zwar der positiven Entwicklung des Frauenfußballs zu verdanken, aber nicht immer leicht zu ertragen als Trainerin. Wenn das Training losging, musste man einige Mädels manchmal darauf hinweisen, sich schon mal den Ball zu schnappen, anstatt Räder zu schlagen, Tänze zu üben oder im Kreis zu sitzen und zu quatschen, während ich die Hütchen aufstelle. Das war bei mir damals anders, ich hatte sofort den Ball am Fuß, wenn ich auf den Trainingsplatz kam. Es soll kein falscher Eindruck entstehen, alle Mädels waren super liebenswert und es gab auch drei, vier Mädels, die Talent hatten, was lernen wollten und mit Leidenschaft dabei waren. Wir hatten viel Spaß zusammen. Aber als dann eines Tages die Torhüterin während des Spiels ein Butterbrot auspackte, sich ins Tor setzte und erstmal genüsslich frühstückte, da habe ich gesagt: „Ich pack das nicht mehr, ich hör auf!“ Auch wenn ich heute noch Tränen lachend gerne an diesen Moment zurückdenke. Abschließend kann man sagen, es war eine tolle Erfahrung und ich habe die Mädels alle gern gehabt, aber irgendwann war dann doch die pubertätsbedingte Interessenverschiebung zu groß.

    Nach deiner Trainertätigkeit bist du dem SVE dennoch weiterhin erhalten geblieben. Du begleitest die Frauenmannschaft als ehrenamtliche Physiotherapeutin. Wie kam es zu dieser neuen Rolle?

    Ich hatte damals zu Trainerzeiten schon engen Kontakt zu einigen aus der Frauenmannschaft, durch meine damalige Trainerkollegin Sarah. Es hatten sich Freundschaften entwickelt und dann hat mich eines Tages eine ehemalige Spielerin am Karnevalssonntag so lange bequatscht, der Mannschaft für den Rest der Saison noch als Spielerin auszuhelfen, bis ich nur noch „ja“ sagen konnte. So sprang ich das ein oder andere Mal tatsächlich noch für die letzten Meisterschaftsspiele ein und wir haben in dem Jahr sogar die Meisterschaft der Bezirksliga gewonnen. Es hat zwar Spaß gemacht, aber dennoch habe ich schnell gemerkt, dass ich den Platz für Jüngere freimachen sollte. Um aber die Mädels weiterhin zu unterstützen, bin ich als Physio eingestiegen und das hat sich bis heute nicht geändert. Es macht mir einfach Spaß, bei dieser Truppe dabei zu sein!


    Außerdem hast du mit ein paar älteren „Mädels“ bei der Eintracht eine Ü30-Mannschaft ins Leben gerufen. Wie oft kommt ihr zusammen und wie darf man sich euer Training vorstellen?

    Wir kicken eigentlich nur ein oder eineinhalb Stündchen just for fun und albern viel rum. Mit am Schönsten sind eigentlich die Aktionen nach oder, wenn man ehrlich ist, auch oft anstelle des Trainings. Da geht’s dann häufig zu Hähnchen Ewald oder zu mir nach Hause in den Zirkuswagen im Garten. Wir machen dann Musik und grillen Bierhühnchen. Es sind meist sehr lustige Abende.


    Wenn du auf all deine Jahre im Frauenfußball zurückschaust, wie hat dieser sich deiner Meinung nach entwickelt? Was hat sich verändert und was ist vielleicht noch genau wie früher?

    Ich finde, es sind mittlerweile viel mehr Mädels am Ball! Es gibt viel mehr Mädchenmannschaften in den Vereinen. Das war früher nicht so etabliert wie heute. Das liegt sicher daran, dass der Mädchenfußball heute viel mehr gefördert wird, wobei ich finde, dass da auch immer noch Luft nach oben ist, wenn man sich im Vergleich den Männerfußball anschaut. Aber auch damals, muss ich sagen, wurden wir sehr gut unterstützt durch Sponsoren und durch unseren Manager, so dass wir immer gut ausgestattet waren. An Bezahlung war natürlich noch nicht zu denken zu dieser Zeit und auch heute hinkt der Frauenfußball da ja leider immer noch sehr hinterher.

    Was ich persönlich noch als Unterschied wahrnehme, wenn ich mir unsere Mädels anschaue, dann ist das der Stellenwert von Disziplin. Nicht, dass sie ein undisziplinierter Hühnerhaufen sind, aber es besteht schon oft der Hang zum etwas übermäßigem Mitdiskutieren in Trainerangelegenheiten, sagen wir mal so. Das war in meiner aktiven Zeit wirklich ganz anders. Da hätte sich niemand getraut zu diskutieren, ob wir jetzt links oder rechts herum laufen.

    Abschließende Frage: Was war für dich dein schönstes Erlebnis?

    In der Zeit bei SSG09 war es definitiv der Moment, als ich 1988 nach dem Endspiel der Deutschen Meisterschaft als Kapitänin den Pott in die Luft reißen durfte. Wir hatten im Finale gegen Duisburg gespielt und im Elfmeterschießen 5:4 gewonnen. Das war ein Gänsehautmoment! Und mit meinen Mädels von Hohkeppel kann ich gar nicht einen einzigen Moment hervorheben. Da ist eigentlich das fortwährende Highlight, so liebe Menschen um mich herum zu haben und Teil einer so tollen Truppe zu sein. Die Mädels bringen mir wirklich sehr viel Wertschätzung und Dankbarkeit entgegen, dass es mir schon manchmal fast unangenehm ist. Und wenn ich an all die Mannschaftstouren und die gemeinsamen Aktionen denke, die wir schon zusammen erlebt haben, da komm ich aus dem Schmunzeln gar nicht mehr raus. Ich hoffe, es wird noch eine ganze Weile so weitergehen und ich wünsche den Mädels, dass sie weiterhin ihren tollen Teamgeist beibehalten und das, wie bisher, unabhängig vom sportlichen Erfolg.

     

    Das Potrait von Catrin Bünger finden Sie hier.

  • Wissenschaftliche Analyse

    Wissenschaftliche Analyse

    Keine Unterschiede in der fußballspezifischen taktischen Leistungsfähigkeit von Frauen und Männern

    Die Weltmeisterschaft der Frauen 2019 in Frankreich war ein Meilenstein in der Entwicklung des Sportspiels Frauenfußball. Neben der Organisation und den sportlichen Leistungen waren es vor allem das mediale und öffentliche Interesse an der Veranstaltung und der Zuschauerzuspruch, die eine neue Ära einleiteten und die stets diskutierte Frage nach einem Vergleich der taktischen Leistungsfähigkeit von Männern und Frauen im Sportspiel Fußball erneut aufkommen ließ.

    Ohne Zweifel ist die Beantwortung der Frage bzgl. der Unterschiede zwischen Frauen- und Männer-Fußball aufgrund der Komplexität des Spiels, sowie der verschiedenen physiologischen und anatomischen Konditionen beider Geschlechter alles andere als trivial. Die geringe, bis fehlende wissenschaftliche Datenlage zu diesem Untersuchungsziel ist dieser Problematik geschuldet. Im Boulevard-Journalismus gibt es viele Statements („Women’s football is shit. The flaws are quite possibly genetic“: The Guardian UK; „Women’s football? That’s disgusting!“: The Guardian UK; „I think it’s good that women play soccer, but you can’t enjoy watching it.“: A Fan; „You watch Paralympics – people who can’t perform quite as well.“: Nico Rosberg), zurzeit noch ohne wissenschaftliche Grundlage. Auch erfolgreiche Trainerinnen und Trainer haben sich dazu geäußert („Das Trainieren einer Frauenmannschaft kann nicht direkt mit dem Training einer Männermannschaft verglichen werden. Frauen reagieren recht sensibel auf bestimmte Gesten, Kommunikationsformen und Aktionen.“ (Dr. Jürgen Tritschoks, ehemaliger Trainer des 1. FFC Frankfurt, Bundesliga Frauen); „Man würde nie die Skilangläufer Marit Bjørgen und Martin Johnsrud vergleichen und Bjørgen deswegen lächerlich machen. Genauso wenig vergleicht man Frauenhandball und Männerhandball, obwohl es große Unterschiede in der Spielweise gibt. Männer sind schneller und sie werfen härter.“ (Prof. Hovden, Professor in Safety Management at Department of Industrial Economics and Technology Management, Norwegen); „Alle fragen immer, was der Unterschied zwischen den Mädchen und den Jungs ist: Es gibt keinen.“ (Horst Hrubesch, Nachwuchsdirektor im Nachwuchsleistungszentrum des Hamburger SV); „Die weiblichen Fußballtrainer sind bereit für die Arbeitsplätze der Männer. Aber die Männerwelt ist es noch nicht.“ (Martina Voss, Bundestrainerin der Deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft). Der unzureichende Forschungsstand und das öffentliche Interesse rechtfertigen allein eine detaillierte wissenschaftliche Untersuchung.

    Taktische Fähigkeiten spielen im modernen Frauen- und Männer-Fußball in allen Altersbereichen und Leistungsniveaus eine bedeutsame Rolle (Memmert, 2006; Memmert & Raabe, 2019). Eine Reihe von Experten sieht in der Taktik sogar die Größe, der bis jetzt
    im Trainingsprozess am wenigsten Aufmerksamkeit gewidmet wurde (Memmert, 2019). Aus diesem Grund scheinen im taktischen Bereich die größten Potenziale zu schlummern. In einem UEFA-Projekt wurden die Gemeinsamkeiten und Unterschieden im taktischen Verhalten von Frauen- und Herrenmannschaften im Fußball untersucht, um dadurch praxisrelevante Ergebnisse für die Interpretation von Spielstrategien, Objektivität von Analysten und die Fußball-Ausbildung für beide Geschlechter und verschiedene Länder zu gewinnen. Um geschlechtsspezifische Vorurteile bei der weitestgehend subjektiven Bewertung von Fußballspielen zu vermeiden, ist es die zentrale Idee dieses Projektes, nicht Video-Daten, sondern Event- und Positions-Daten von Frauen und Männern miteinander zu vergleichen. Bei herkömmlichen Video-Daten werden Geschlechts-Unterschiede bei taktischen Leistungs-Indikatoren (KPIs) aufgrund von Vorurteilen vermutet. Bei den Event- und Positions-Daten kommen auch neuartige, objektive Analysewerkzeuge, wie künstliche, neuronale Netze zum Einsatz. Aufgrund der anonymen Vorgehensweise (ein Neuronales Netz kann nicht wissen, ob es sich um ein Frauen- oder Männer-Spiel handelt) werden die Ergebnisse eine hohe Objektivität besitzen, womit aktuell existierende Meinungen mit Hilfe von Zahlen und Fakten wider- oder unterlegt werden können.


    Studie

    Auf Basis von Event- und Positions-Daten können neuronale Netze und andere Algorithmen nicht erkennen, ob es sich um ein Spiel der Herren oder um ein Spiel der Frauen handelt. Nur Individual- und Gruppentaktiken
    werden differenziert untersucht, technische Fertigkeiten hingegen werden nicht eingehender analysiert, was dem Methodendesign bei der Untersuchung qualitativer Daten geschuldet ist. Für den Frauenfußball und den Herrenfußball wurden Event- und PositionsDaten im Hochleistungs Fußball (u.a. Europameisterschaft 2016, 2017) ausgewertet.

     

    Tabelle 1: KPIs basierend auf Event-Daten

    E12

    Anzahl Pässe

    E13

    Anzahl erfolgreicher Pässe

    E14

    Passerfolgsquote

    E15

    Anzahl Flanken

    E16

    Anzahl Dribblings

    E17

    Anzahl Rettungsaktionen

    E18

    Anzahl Torabschlüsse

     

    Tabelle 2: KPIs basierend auf Positions-Daten

     

    Parameter

    Operationalisierung

    P19

    Qualität der Pässe im Angriff

    überspielte Gegenspieler

    P20
    P21

    Umschalten nach Ballverlust (Defensives Verschieben zum Ball nach Ballverlust) (Kompakt)

    Pressing-Index

    • Spieler näher als 10m zum Ball
    • Spieler weiter als 10m vom Ball

    P22
    P23

    Schaffen, Erkennen und Nutzen von Räumen in der Offensive

    • Raumkontrolle 16er
    • Raumkontrolle 30m-Bereich

     

    Ergebnisse

    Die Auswertung von sechs Variablen auf der Basis von Event-Daten erfolgte automatisch mithilfe eines eigens für dieses Projekt programmierten Programms. Es standen Event-Daten der gesamten Frauen-Europameisterschaft 2017 zur Verfügung. Für jede Ereigniskategorie wurde die Anzahl der gezählten Ereignisse pro Halbzeit und pro Mannschaft festgestellt und weiter ausgewertet. Es wurden die Ereignisse Rettungsaktionen, Flanken, Pässe, erfolgreiche Pässe, Dribblings, Torabschlüsse, sowie die Passerfolgsquote analysiert. Die inferenzstatistische Untersuchung ergab für keine der Variablen einen signifikanten Unterschied zwischen Männern und Frauen.

    Die Auswertung der einzelnen Variablen auf der Basis von Positionsdaten erfolgte automatisch mithilfe von neuronalen Netzen auf der Basis von @SOCCER (für die technische Umsetzung vgl. Memmert & Raabe, 2019). Der Pressing-Index wurde für jedes Spiel und für jede Halbzeit für jede der beiden Mannschaften gebildet. Dabei wurden die Prozess-Geschwindigkeiten sowohl für die näher, als zehn Meter zum Ball befindlichen Spieler, als auch für alle weiter entfernten Spieler in den ersten drei Sekunden nach Ballverlust ermittelt. Zur Beurteilung der Passqualität wurden die Variablen überspielte Gegenspieler, Zugewinn der Raumkontrolle im Strafraum und Zugewinn der Raumkontrolle im Angriffsdrittel für jede Mannschaft ermittelt. Dabei wurde jeder Pass einzeln in die Analyse eingeschlossen. Die inferenzstatische Überprüfung der Daten zu Pressing und Passqualität ergab für keine der fünf KPIs einen signifikanten Unterschied zwischen Männern und Frauen.

     

    Zusammenfassung und Ausblick

    Bei diesem Projekt konnte gezeigt werden, dass unter Verwendung objektiver, datenbasierter Analyseverfahren keine Unterschiede in der fußballspezifischen taktischen Leistungsfähigkeit zwischen Frauen und Männern erkennbar sind, während videobasierte Analysen solche Unterschiede zeigen. Im Speziellen zeigte die Analyse eventbasierter KPIs, dass individualtaktische Ereignisse in Frauen- und Männer-Spielen in ähnlicher Häufigkeit auftreten. Die Positions-Datenbasierte Analyse offenbarte, dass Frauen und Männer eine vergleichbare Passqualität sowie ein vergleichbares Umschaltverhalten nach Ballverlust aufweisen. Die verschiedenen nationalen Ligen werden davon profitieren, da Rückschlüsse auf die Ausbildung von Spieler*innen in verschiedenen Kulturen gezogen werden konnten. Ein weiterer Mehrwert für die Praxis ist, dass eine mögliche Anpassung der Ausbildungspläne der UEFA, Nationalverbände und Klubs jetzt möglich wird. Aus der Erkenntnis, dass Frauen- und Männer-Fußball sich in Bezug auf taktische Muster praktisch nicht unterscheiden, lässt sich somit schlussfolgern, dass auch die Ausbildung geschlechterübergreifend ähnlich sein kann bzw. sollte.

    Zusammenfassend wurden eine Weiterentwicklung und Professionalisierung des Frauenfußballs im Bereich des taktischen Verhaltens angestrebt. Zudem sollte durch eine Objektivierung der Vergleiche der taktischen Leistungsfähigkeit von Frauen- und Herrenmannschaften auch das Profil des Frauen-Fußballs geschärft werden. Schließlich wurde durch einen taktisch ansprechenden Fußball auch die Attraktivität des Frauen-Fußballs in Europa weiter gesteigert und damit der Vorbild Charakter der Mannschaften und Spielerinnen gestärkt. Und am Ende hat Paul Breitner recht: „Jahrelang haben wir Männer über das gelächelt, was einige Mädels als Frauen-Fußball bezeichneten. Ich gehörte auch zu diesen Chauvis. Nur: Irren ist menschlich. Und allzu oft ganz besonders männlich.“

#leidenschaftzählt in den sozialen Medien

Die Leidenschaft für den Fußball hat viele Gesichter und nun auch einen gemeinsamen Hashtag: #leidenschaftzählt

„Es gibt immer noch Menschen, die Fußball vor allem als Sport von und für Männer sehen“, erklärt Nellen. „Der Hashtag fasst treffend zusammen, was wirklich zählt: nicht das Geschlecht oder andere äußere Merkmale, sondern allein die Leidenschaft für den Fußball.“

„Die Spielerinnen und Vereine wünschen sich, dass der weibliche Fußball sichtbarer wird und mehr Anerkennung erfährt“, erklärt die AG-Vorsitzende Sabine Nellen. „Wir gehen als Verband gerne voran. Gleichzeitig laden wir alle Vereine, Aktiven und ehrenamtlich Engagierten sehr herzlich ein, Aktivitäten zum weiblichen Fußball zu initiieren und diese ebenfalls unter dem Hashtag #leidenschaftzählt zu teilen. So bekommen die Mädchen und Frauen die Bühne, die sie verdienen“, so Nellen.

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