Emotionen im Sport und Ehrenamt - Achtung, ansteckend!

Emotionen gehören zum Fußball. Der Sport und die Vereinsarbeit sind von Leidenschaft geprägt. Wir wollen uns daher keine kühle Atmosphäre auf und neben dem Platz vorstellen. Das Beruhigende: Emotionen und Gefühle sind allgegenwärtig. Sie lassen sich nicht ausradieren. Die Frage ist eher: Welche Emotionen und Gefühle wollen wir? Dies ist besonders relevant, denn Emotionen sind ansteckend und breiten sich schnell aus.

Emotionen im Sport und Ehrenamt - Achtung, ansteckend!

Wenn im Sommer die Fußball-Weltmeisterschaft beginnt, dann beginnt auch wieder eine Zeit, in der Emotionen die Nation zusammenschweißen. Beim Public Viewing entsteht ein Gemeinschaftsgefühl. Euphorie macht sich breit. Während der 90 Minuten steigt die Anspannung auf den Plätzen der Republik. Sind die anderen angespannt, sind wir es vermutlich auch. 

Emotionen als soziales Bindemittel

Gefühle sind ansteckend. Das erleben Fußballfans Woche für Woche im Stadion. Sie lassen sich von der Menge mitreißen. Emotionen und Stimmungen springen wie ein Funke über. Emotionen erfüllen zwei Funktionen: Erstens dienen sie als Kommunikation. Zweitens haben sie eine soziale Komponente. Emotionen und Stimmungen transportieren schnell Informationen – ohne dass andere sich ein Bild von der Situation machen müssen. Negative Gefühle warnen uns vor Gefahren. Deshalb übernehmen wir auch schnell diese Gefühle, denn sie geben uns einen Hinweis, was zu tun ist: Kampf, Flucht oder Erstarren. Gefühle helfen gerade in komplexen Situationen Freund und Feind zu erkennen. Sie schweißen Gruppen zusammen. Auf dem Fußballplatz im Dorf lässt sich an der Stimmung der Zuschauer ablesen, wer Fan der Heim- und der Gastmannschaft ist. Im Verein kann es bei strittigen Entscheidungen über Veränderungsprozesse wie eine Satzungsänderung, Umstrukturierung oder Fusionierung anhand von Gefühlen zu Lagerbildung kommen. Die einen sind euphorisch, die anderen eher verängstigt. Die Gefühle schweißen hier zusammen. Dies betrifft sowohl positive als auch negative Gefühle. Gefühle stellen hier Gruppengrenzen dar und entscheiden, wer dazu gehört und wer nicht. Dies ist dabei durchaus dynamisch. Wenn in der WhatsApp- Gruppe einige Mitglieder ihre Begeisterung teilen und sich Nachrichten hin und herschicken, fühlen sie sich sehr verbunden. Andere Gruppenmitglieder, die gerade diese Euphorie nicht teilen, fühlen sich dann eher ausgegrenzt.

Welche Gefühle sind förderlich?

Forschungsbefunde zeigen, dass geteilte positive Gefühle grundsätzlich förderlich sind. Gruppenmitglieder sind hilfsbereiter, zeigen mehr Eigeninitiative und sind kreativer. Gerade in der Vereinsarbeit ist daher die Etablierung einer positiven Gruppenstimmung in den Abteilungen, Gremien und Ausschüssen von Relevanz. Eine negative Gruppenstimmung ist in der Regel nur dann förderlich, wenn der Auslöser von außen kommt und es der Gruppe gelingt, die negative Gruppenstimmung über die Zeit zu regulieren. Die Mannschaft, die sich über den Schiedsrichter ärgert, wächst in dem Moment zusammen. Doch es droht die Gefahr, dass die negativen Gefühle innerhalb der Gruppe destruktiv werden. Der Ärger überträgt sich dann auf die Mitspielerinnen oder Mitspieler. Wichtig ist daher, dass es Gruppen gelingt, Emotionen zu regulieren und ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Aufgaben zu richten. Denn eine negative Gruppenstimmung, die länger anhält, führt zu mehr Konflikten. Dies lenkt von den eigentlichen Aufgaben ab, die in der Folge schlechter bewältigt werden.

Wie lassen sich Stimmungen beeinflussen?

Ein erster Schritt ist ein Monitoring der Stimmung. Denn oft bleibt die Stimmung erst einmal unterschwellig. Bei Mannschaftssitzungen, beim Training oder der Abteilungsbesprechung bieten sich so genannte „Blitzlicht“-Runden an, in denen die Teilnehmer über ihre aktuelle Stimmung sprechen. Wer sich seiner Stimmung bewusst ist, der kann auch eher hinterfragen, ob die Stimmungen einen guten Grund haben und berechtigt sind oder einen nicht weiterbringen.

Stimmung ist ansteckend

Wer sich bewusst ist, dass Stimmung ansteckend ist, kann dies für sich nutzen. Das gezielte Teilen von positiven Ereignissen – durch neue Medien ein leichtes geworden – sorgt für eine positive Gruppenstimmung. Ein Schiedsrichterlehrwart aus Niedersachsen beispielsweise nutzt dies regelmäßig. Für den Anwärterlehrgang erstellte er eine WhatsApp-Gruppe und postete dort Bilder von seinen Spielstätten der namenhaften Vereine, die er in der Junioren-Bundesliga besucht. Er teilt seine positiven Erlebnisse mit den künftigen Unparteiischen. Bei negativen Emotionen ist jedoch Vorsicht geboten. Gerade im Internet erleben wir Shitstorms und Hasstiraden. Hier ist die Verantwortung des Einzelnen gefragt. Zum Wohle der Gemeinschaft gilt es, negative Gefühle zurückzuhalten – und im entsprechend geschützten Rahmen sachlich anzusprechen. Während Negatives geschieht, ohne dass wir es wollen, streben wir an, dass Positives geschieht. Unternehmen beschäftigten so genannte „Feel Good“- Manager, die im Unternehmen positive Ereignisse erzeugen. Im Kleinen (ein Obstkorb im Besprechungsraum) wie im Großen (ein Sommerfest).

Was bedeutet das für den Verein?

In vielen Vereinen gibt es diese Kümmerinnen und Kümmerer bereits; oft jedoch ohne, dass sie sich dessen bewusst sind. Ihre Rolle ist dabei immens wichtig. Diesen Vereinsmitarbeitenden gelingt es dabei, nicht nur positive Ereignisse zu initiieren. Ihnen gelingt es auch, die Aufmerksamkeit der Gruppe bei schlechter Stimmung wieder auf das Positive zu lenken. Sie schaffen es, das Gute im vermeintlich Schlechten zu sehen und optimistisch zu bleiben. Vereine sind daher gut beraten, zu schauen, wer im Verein diese Funktion bereits übernommen hat, diese Aufgabe anzuerkennen und bei Bedarf die Kompetenzen dieser Kümmerinnen und Kümmerer noch gezielter zu nutzen.

Zur Person:
Dr. Hilko Paulsen hat Psychologie studiert und unter anderem zum Thema „Stimmungen in Gruppen“ geforscht. Er arbeitet er als Berater und Trainer in Wirtschaft, Verwaltung und Sport. Zudem ist er als Schiedsrichter tätig.

Text: Hilko Paulsen

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